12 000 Ideen für Deutschlands Zukunft

Berlin. Euro-Misere, regierungsinterne Reibereien und eine ständig streitende Koalition - Angela Merkel hat in diesen Tagen wahrlich eine Menge Ärger. Doch wenigstens gestern winkte ein vergleichsweise entspannter Termin: Die Kanzlerin nahm den Abschlussbericht des von ihr angestoßenen "Dialog über Deutschlands Zukunft" entgegen

Berlin. Euro-Misere, regierungsinterne Reibereien und eine ständig streitende Koalition - Angela Merkel hat in diesen Tagen wahrlich eine Menge Ärger. Doch wenigstens gestern winkte ein vergleichsweise entspannter Termin: Die Kanzlerin nahm den Abschlussbericht des von ihr angestoßenen "Dialog über Deutschlands Zukunft" entgegen. Im ersten Stock des Kanzleramtes hatten sich dazu rund 130 Fachleute aus Wissenschaft und Praxis versammelt, um die Erkenntnisse mit der Hausherrin noch einmal in großer Runde zu diskutieren. Dem Treffen waren mehrere Veranstaltungen mit ausgewählten Bürgern nach dem Muster so genannter Townhall-Meetings vorausgegangen, die US-Präsident Barack Obama zur Steigerung seiner Popularität in Szene setzt.In Merkels Diskussionsrunden an verschiedenen Orten der Republik reichte die Themenpalette vom ehrenamtlichen Engagement über Altersarmut und öffentliche Sicherheit bis zum Für und Wider des föderalen Bildungswesens. Per Internet konnte die Bevölkerung obendrein Vorschläge unterbreiten, was sie sich von ihren Volksvertretern wünscht und wie sie sich das künftige Zusammenleben in Deutschland vorstellt. Allein dabei kamen immerhin fast 12 000 Ideen zusammen.

Ob daraus praktikable Politik wird, wie es Merkel mit ihrer PR-Aktion verheißt, steht freilich auf einem anderen Blatt. Immerhin rund 300 Vorschläge, die zum Teil auf den erklärten Bürgerwillen zurückgehen, haben die Experten in ihrem Abschlussdokument aufgeführt. Merkel versprach, damit "ehrfürchtig und sorgsam" umzugehen. Eine tiefer gehende Diskussion mit dem versammelten Sachverstand war allerdings schon aus zeitlichen Gründen ein Ding der Unmöglichkeit. Das Kanzleramt hatte dazu für ihre Chefin nämlich nur genau 105 Minuten geblockt.

Fragt sich, wofür die ganze Kommunikations-Offensive -außer für die Selbstdarstellung der Kanzlerin - noch gut sein soll. Ein CDU-Wahlprogramm kann daraus jedenfalls kaum entstehen. Dazu genügt schon ein Blick auf Seite 18 der Vorschlags-Sammlung. Danach soll das Ehegattensplitting zu einem Familientarifsplitting erweitert werden, wofür es in der Union keine Mehrheit gibt. Auch an anderer Stelle spart der Bericht nicht mit politischer Kritik. Verlangt werden beispielsweise eine bessere Abstimmung familienpolitischer Maßnahmen und der Abbau umweltschädlicher Subventionen. Wie ein glatter Gegenentwurf lesen sich derweil die Regierungspläne zur Einführung des Betreuungsgeldes und die eben erst verabschiedete Verlängerung von Steuerleichterungen für besonders energieintensive Betriebe.

Die Opposition kritisierte den "Zukunftsdialog". Sie hatte der Kanzlerin nicht nur Wahlkampfkalkül vorgeworfen, sondern Verschwendung von Steuergeldern. Immerhin soll der Dialog inklusive aller Veranstaltungen 1,5 Millionen Euro gekostet haben. vet

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