Zwischen Party und Trauer

Kapstadt · Der wegen Mordes an seiner Freundin angeklagte Spitzensportler Oscar Pistorius wurde im Vergnügungsviertel gesehen. Seine Familie beteuert, er sei in tiefer Trauer. Umso mehr erstaunt sein Verhalten.

"Wie geht es wohl Oscar Pistorius?" Diese Frage bewegt die Südafrikaner seit den tödlichen Schüssen des Paralympics-Stars auf seine Freundin vor zwei Monaten. Bei den Gerichtsanhörungen im Februar sah man einen niedergeschlagenen Mann, der schluchzend und weinend die Mordanklage verfolgte. Nach seiner Entlassung auf Kaution berichtete seine Familie, der 26-Jährige lebe zurückgezogen und in "tiefer Trauer" im Haus seines Onkels. Nun mussten sie zugeben, dass er vor wenigen Tagen das Johannesburger Vergnügungsviertel "Design Quarter" besucht hatte.

Pistorius war südafrikanischen Sonntagsblättern zufolge mit reichen Freunden und Leibwächtern bei einer Party in einem Restaurant. Dort und in der "Buddha Ta"-Bar habe er heftig mit Frauen geflirtet und Drinks zu sich genommen - Alkohol trinken darf Pistorius nach Aufhebung seiner Kautionsauflagen. Sicher ist, dass die Abendvergnügungen des beinamputierten Profisportlers Kratzer am Bild eines völlig deprimierten Mannes hinterlassen, der seine Freundin angeblich nur aus Versehen erschossen hat.

Die Südafrikaner beginnen auch, an den Darstellungen der Familie zu zweifeln. Noch vor kurzem hatte sie berichtet, dass es "keinen Moment am Tag gibt, an dem Oscar nicht über seine Freundin trauert". Er sei aber nicht selbstmordgefährdet - wie ein BBC-Bericht jüngst suggeriert hatte. Auch sein Trainer Ampie Louw schildert einen Mann, der kaum mit seiner Niedergeschlagenheit fertig wird. Pistorius habe vergeblich versucht, das Training wieder aufzunehmen. "Er ist auch nur ein Mensch, er könnte jetzt gar nicht an einem Rennen teilnehmen, selbst wenn er wollte", sagt der Trainer.

Pistorius habe bei seinem Ausflug ins Vergnügungsviertel einen völlig umbeschwerten Eindruck gemacht, berichteten dagegen Augenzeugen der "Sunday Times". "Er wirkte nicht wie einer, der gerade die Liebe seines Lebens verloren hat", wurde ein Restaurantbesucher zitiert. "Ich kann nicht glauben, dass er sich öffentlich blicken lässt, so weiter macht, als ob nichts gewesen wäre", habe ein anderer Gast gesagt.

Der gefallene Held selbst äußert sich konsequent nicht, kein Wort ist seit den tragischen Ereignissen öffentlich über seine Lippen gekommen. Noch ist fraglich, ob er bei der geplanten Prozesseröffnung am 4. Juni sprechen wird. Bei den Anhörungen im Februar kam nur sein Anwalt zu Wort. Der Staatsanwalt will beweisen, dass Pistorius in der Nacht zum 14. Februar vorsätzlich seine Freundin Reeva Steenkamp (29) ermordet habe. Der 26-Jährige beteuert, er habe die tödlichen Schüsse durch die Toilettentür seines Hauses nur abgegeben, weil er dort einen Einbrecher vermutete.

Gewalt und Rassismus

Pistorius steht vor den Trümmern seines Lebens. Sponsoren und Werbepartner haben sich zurückgezogen. An die Fortsetzung seiner Sportkarriere ist kaum zu denken. Zwar hat ein Richter das Reiseverbot aufgehoben. Pistorius könnte bei internationalen Wettkämpfen antreten. Aber Sportexperten meinen, dass die Veranstalter gar nicht so scharf auf eine Teilnahme des "Blade Runners" sind.

Der Mordfall konfrontiert die Südafrikaner wieder einmal mit den Dauerthemen Gewalt und Rassismus. Der Tod einer schönen Frau und die Verwicklung eines Superstars in einen Mordprozess wären schon alleine genug für einen Sensationsprozess. Frauenverbände hatten Pistorius schon früh verurteilt und unterstellt, er bekomme als reicher, weißer "Promi" eine Sonderbehandlung. Pistorius Vater heizte das Thema an. Er behauptete, die weiße Minderheit werde nicht ausreichend von der Polizei geschützt und müsse sich deshalb bewaffnen und wehren.

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