Zehn Jahre später Der bittere Nachgeschmack des Minenunglücks von San José

Santiago de Chile · Vor zehn Jahren wurden 33 Bergleute in einer Gold- und Kupfermine in Chile verschüttet. Die meisten von ihnen haben mit dem Unglück abgeschlossen.

 Mehr als zwei Monate waren die Bergleute in der San José-Mine in Chile verschüttet (Foto von September 2010).

Mehr als zwei Monate waren die Bergleute in der San José-Mine in Chile verschüttet (Foto von September 2010).

Foto: dpa/Handout

An dem schicksalhaften Tag war Luis Urzúa Schichtleiter in der Mine San José. Er hatte 32 Mann unter sich, als am 5. August 2010 gegen 14.30 Uhr der Stollen in dem Gold- und Kupferbergwerk in der nordchilenischen Atacama-Wüste einstürzte und die Grubenarbeiter verschüttete. „Wir dachten am Anfang, dass es kein Entrinnen aus der Falle gibt, vor allem die vielen jungen Kollegen gerieten in Panik“, erinnert sich Urzúa fast zehn Jahre später. Wie fast alle der Minenarbeiter ließ Urzúa den Bergbau nach der Rettung 69 Tage später hinter sich. Er hält heute Reden, gibt Motivationskurse, erzählt den Menschen von den Erfahrungen damals.

Mehr als zwei Monate in Dunkelheit und Hitze in fast 700 Metern Tiefe haben die Männer und auch ihre Familien für immer geprägt. Allein die finale Rettungsaktion dauerte 22 Stunden und 37 Minuten. Die Wochen zuvor erhielten die Minenarbeiter per Sonde ihre Nahrung und auch die Betreuung eines Psychologen und den emotionalen Zuspruch der Familie. Parallel dazu brüteten Ingenieure darüber, wie man die Eingeschlossenen herausholen könnte. Je länger die Männer tief in der Erde um ihr Leben bangten, desto mehr nahm die Welt Anteil an ihrem Schicksal im abgelegenen Winkel Südamerikas.

Zehn Jahre später erinnern sich nur noch wenige an die 33. Der Ruhm ist verblasst, die Männer fühlen sich von Politikern und Journalisten ausgenutzt, von Filmproduzenten über den Tisch gezogen: „Wir waren nur die kleinen dummen Mineros damals“, ärgert sich Osman Araya. „Das große Geschäft mit uns haben andere gemacht.“ Etwa Hollywood, das 2015 den Film „69 Tage Hoffnung“ („The 33“ im Original) mit Antonio Banderas und Juliette Binoche herausbrachte. Von den Einnahmen haben die Mineros so gut wie nichts gesehen.

Die 33 verstehen bis heute nicht, wie sie erst so rumgereicht und dann so vergessen werden konnten: „Berühmt waren sie nie wirklich“, urteilt der Psychologe Alberto Iturra. Er betreute die Männer während der langen Wochen des Wartens auf Rettung. „Sie wurden wie im Zoo vorgeführt. Es war eine Art journalistisches Stalking“, sagt Iturra im Gespräch.

Tatsächlich war der Fall der 33 Mineros von San José ein globales Medienthema mit Live-Schalten, langen Reportagen, Magazin- und Personality-Storys. 69 Tage lang interessierte jeden das Schicksal der Bergmänner, die da am Ende der Welt in einem Stollen in 688 Meter Tiefe eingeschlossen waren. Am 13. Oktober dann, kurz nach Mitternacht, wurde der erste Minero mit der Rettungskapsel zurück ins Leben geholt. Das Fernsehen übertrug live. Fast 24 Stunden später war das Wunder der komplexesten Rettung in der Geschichte des Bergbaus vollbracht.

In der Gefangenschaft des Berges verschworen sich die Männer zwischen 19 und 63 Jahren zu einer Notgemeinschaft, die nur ein Ziel kannte: Überleben bis zum Tag der Befreiung. „Sie waren aber nie Freunde“, erinnert sich Iturra. „Die 33 waren verschieden alt, kamen aus unterschiedlichen Regionen des Landes, hatten nicht die gleichen Hintergründe“.

Und so seien die 33 auch „heute sehr distanziert“, weiß Iturra, der damals jeden Tag mit den Männern sprach, sie ermunterte und heute noch zu einigen Kontakt hält. Die einen arbeiten als Mechaniker, andere als Fahrer, einer ist bei der Bergbaubehörde angestellt. Claudio Yáñez ist einer derer, die wieder im Bergbau arbeiten. Der 44-Jährige war damals in San José unter Tage beschäftigt. „Aber nun arbeite ich über Tage und warte Maschinen“. Die Alpträume lägen hinter ihm, erzählt Yáñez. „Nur manchmal, wenn mich Kollegen nach damals fragen und ich mich erinnere, dann kommen die traurigen Momente zurück.“

Geblieben ist auch der Frust darüber, dass sich nach Empfinden der 33 alle an dem Unglück bereichert haben, außer sie selbst. „Wir haben lauter Verträge unterschrieben, die meisten in Englisch, das wir nicht sprechen, aber bekommen haben wir nichts“, sagt Yáñez. Dabei hatten die Männer nach der Rettung davon geträumt, im Handumdrehen reich zu werden. Dankbar sind alle 33 nur dem chilenischen Milliardär Leonardo Farkas. Er schenkte damals jedem Minero umgerechnet 10 000 Dollar. „Farkas ist der einzige, der für uns was getan hat“, beharrt Yáñez.

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