Lebensmittelerpresser Zahlreiche Hinweise, aber keine heiße Spur

Konstanz/Friedrichshafen · Rund 1000 Anrufe hat die Polizei erhalten. Doch noch gibt es keine Spur vom Lebens­mittel-Erpresser. Die Verbraucherzentrale warnt davor, beschädigte Verpackungen zu öffnen.

 Auf diesem Fahndungsfoto der Polizei von einer Überwachungskamera wird ein mutmaßlicher Lebensmittelerpresser gezeigt.

Auf diesem Fahndungsfoto der Polizei von einer Überwachungskamera wird ein mutmaßlicher Lebensmittelerpresser gezeigt.

Foto: dpa/Polizeipräsidium Konstanz

() Nach dem Fund vergifteter Lebensmittel in Friedrichshafen am Bodensee haben sich Hunderte Menschen mit Hinweisen bei der Polizei gemeldet. „Bis zum Morgen waren es mehr als 650, danach kamen etliche hinzu, aber bislang hat sich keine heiße Spur zu dem Erpresser abgezeichnet“, sagte der Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz, Markus Sauter. Gestern Nachmittag waren es bereits etwa 1000 Anrufe und 200 E-Mails. Rund eingegangene 200 Hinweise bezogen sich auf die gesuchte Person. Das teilten die Staatsanwaltschaft und die Polizei in Konstanz mit. Das eigens eingerichtete Callcenter der Polizei mit rund einem Dutzend Mitarbeitern bleibe weiterhin rund um die Uhr im Einsatz.

Die bisherigen Hinweise aus der Bevölkerung seien von unterschiedlicher Qualität: „Es ist alles dabei – von konkreten Hinweise auf bestimmte Personen bis hin zu Anrufern, die meinen, die Person auf dem Fahndungsfoto vielleicht schon mal irgendwo gesehen zu haben.“ Die 220 Ermittler der Sonderkommission „Apfel“ würden die Hinweise „akribisch“ auswerten und zunächst bestimmen, „welche davon Priorität haben und welche in die Warteschleife kommen“.

Die Polizei hatte am Donnerstag Fahndungsbilder eines dringend tatverdächtigen Mannes veröffentlicht. Er soll mit der erneuten Platzierung vergifteterLebensmittel in Supermärkten und Drogerien gedroht haben, um eine zweistellige Millionensumme zu erpressen. Mitte September waren fünf vergiftete Gläschen mit Babynahrung in Friedrichshafen entdeckt worden. Gefahndet wird nach dem Erpresser auch im Ausland, vor allem in Österreich und der Schweiz.

Die Polizei fürchtet weitere Taten. „Wir können nicht ausschließen, dass der Erpresser über das Wochenende erneut vergiftete Lebensmittel ausbringt“, sagte Pressesprecher Jens Purath gestern. Dies sei der Grund gewesen, dass die Polizei das Thema publik gemacht habe.

Nach Einschätzung einer Psychologin handelt es sich beim Täter um einen Psychopathen oder um einen Narzissten. Entweder sei er ein skrupelloser, eiskalter Verbrecher ohne Empathie oder Mitgefühl, sagt Professorin Isabella Heuser-Collier von der Berliner Charité. „Oder er genießt es einfach, im Mittelpunkt zu stehen und die ganze Republik in Aufregung zu versetzen.“ Dann sei von krankhaftem Narzissmus auszugehen. Dass tatsächlich eine giftige Substanz gefunden wurde, spreche allerdings eher für die erste Variante.

Die Polizei geht aktuell davon aus, alle bisher vergifteten Gläser entdeckt zu haben. Das Gift Ethylenglycol sei in die Babynahrung eingerührt worden, hieß es von der Polizei. Da das Gift farb- und geruchlos ist, lässt es sich nicht erkennen. Beim Verzehr drohten jedoch „sehr ernsthafte Gesundheitsgefahren bis hin zum Tod“. Die Vergiftungserscheinungen reichen von Übelkeit über Erbrechen bis hin zu Benommenheit und Verwirrung. „Wenn man das bei sich selbst beobachtet oder ein Kind sich anders verhält als sonst, sollte man unbedingt einen Arzt aufsuchen“, rät die Verbraucherzentrale. Die Drohung des unbekannten Erpressers umfasse aber nicht nur Babynahrung. Er habe gedroht, 20 verschiedene Lebensmittel zu vergiften.

Supermärkte und Geschäfte in der gesamten Region erklärten lokalen Medienberichten zufolge, dass sie ihre Bestände angesichts dieser Drohung genauestens prüfen. Zur Frage, ob jemand in Erwägung ziehe, die geforderte Millionensumme zu bezahlen, machte die Polizei keine Angaben.

Es gebe aber keinen Grund zur Panik, erklärten Polizeisprecher. Friedrichshafens Oberbürgermeister Andreas Brand sagte: „Ich kann nur alle dazu aufrufen, besonnen zu bleiben und jetzt besonders aufmerksam und vorsichtig zu sein. Bei einem Verdacht sollte jeder von uns sofort die Polizei informieren und sie bei den Ermittlungen unterstützen.“

Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg riet zur Wachsamkeit beim Einkauf: Um ein Produkt zu vergiften, muss jemand es öffnen. Bei verpackten Lebensmitteln sollte daher auf den Zustand der Verpackung geachtet werden. Ist die Originalverpackung unversehrt, ist man sicher. Gläser beispielsweise haben einen Schraubverschluss, in denen vor dem ersten Öffnen ein Unterdruck herrscht. „Wenn man das Glas öffnet, knackt es ganz deutlich. Das ist ein Zeichen dafür, dass die Verpackung intakt ist“, sagt Christiane Manthey von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Bleibe das Knacken aus, solle man das Produkt nicht verzehren, sondern im Geschäft oder bei der Polizei melden.

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