Ausbruchsserie Woche der offenen Tür im Knast

Berlin · Fünf Tage, neun entkommene Häftlinge: Die Republik schüttelt den Kopf über ein Berliner Gefängnis – und der Senator ist unter Druck.

 Da haben die Überwachungskameras nicht viel ausrichten können: Aus der Berliner Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee sind innerhalb weniger Tage neun Häftlinge geflohen.

Da haben die Überwachungskameras nicht viel ausrichten können: Aus der Berliner Justizvollzugsanstalt (JVA) Plötzensee sind innerhalb weniger Tage neun Häftlinge geflohen.

Foto: dpa/Paul Zinken

() Eine derartige Ausbruchsserie aus einem deutschen Gefängnis ist selten – und lässt den Druck auf Berlins Justizsenator weiter steigen. Neun Gefangene verschwinden innerhalb von fünf Tagen aus dem Gefängnis Plötzensee im Nordwesten Berlins. Die Opposition spricht hämisch vom „Haus der offenen Tür“. Besonders peinlich für Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne): Nach dem ersten Ausbruch von vier Männern am Donnerstag flohen direkt nach dem Ausbruch sowie am Samstag und Sonntag erneut je ein Häftling aus dem Gefängnis. Am Montag kletterten zwei weitere Ausreißer aus dem Fenster einer Nachbarzelle.

Diese letzten fünf geflohenen Häftlinge saßen allerdings im offenen Vollzug mit genehmigtem Ausgang und weniger strengen Sicherheitsvorkehrungen. Oft gibt es keine Gitter vor den Fenstern und auch keine Zäune. Diese „Entweichungen“, wie die Justiz sie nennt, passieren häufiger und sind streng genommen keine Ausbrüche. Behrendt verwies darauf, dass in den vergangenen Jahren allein aus dem offenen Vollzug in Plötzensee jeweils zwischen 10 und 43 Häftlinge entwichen. Dabei ging es oft um Menschen, gegen die eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt wurde, weil sie eine Geldstrafe nicht bezahlen konnten. Häufig sind das Schwarzfahrer und keineswegs Schwerkriminelle. Einer dieser Männer wurde von der Polizei gefasst. Auch von den ersten vier Ausbrechern stellte sich gestern einer zusammen mit seinem Anwalt. Nach den sieben verbliebenen Männern fahndet die Polizei.

Die Berliner Opposition aus CDU, AfD und FDP fordert den Rücktritt von Behrendt, der mit dem Senat aus SPD, Linken und Grünen erst ein Jahr im Amt ist. Auch ein Abgeordneter des Koalitionspartners SPD twitterte: „Rekord. Wer will nochmal, wer hat noch nicht? Das wäre eigentlich ein Rücktrittsgrund für einen Justizsenator.“

Besonders der Ausbruch vom Donnerstag hatte für empörte Kommentare gesorgt. Die Männer zwischen 27 und 38 Jahren flohen aus einem Heizungsraum neben der Werkstatt, in der sie arbeiteten. Mit einem Hammer zertrümmerten sie einen Betonpfosten in einer Lüftungsöffnung. Dann sägten sie die Stahlverstärkung unter dem Beton mit einem Trennschleifer durch, zwängten sich ins Freie und krochen unter dem Zaun des Gefängnisses durch. Eine Kamera an der Eingangspforte filmte die Aktion. Trotzdem wurde zu spät Alarm ausgelöst.

In der JVA Plötzensee mit 360 Insassen herrscht nur eine mittlere Sicherheitsstufe. Auch diese Ausbrecher waren keine Schwerkriminellen, sondern waren wegen Diebstahls, räuberischer Erpressung und schwerer Körperverletzung eingesperrt. Mörder, Vergewaltiger und Serientäter sitzen in Berlin vor allem in der JVA Tegel, Deutschlands größtem geschlossenen Knast. Dort liegt der letzte Ausbruch schon viele Jahre zurück.

Eigentlich gelten die Berliner Gefängnisse als sicher. Aber viele der oft mehr als hundert Jahre alten Gebäude haben unübersichtliche Ecken. Senator Behrendt gibt zu: „Sie würden so heute nicht mehr gebaut.“ Er kündigte gestern eine Kommission aus Sicherheitsexperten an, außerdem solle es künftig mehr Wärter geben.

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