Wo Narren keinen Spaß verstehen

Düsseldorf/Köln. "Jeck - we can!", heißt dieses Jahr das Motto des Düsseldorfer Rosenmontagszuges. Wer im Karneval nicht zu Hause ist, kann kaum ermessen, wie konfliktgeladen die Wahl einer solchen Spaß-Parole sein kann

Düsseldorf/Köln. "Jeck - we can!", heißt dieses Jahr das Motto des Düsseldorfer Rosenmontagszuges. Wer im Karneval nicht zu Hause ist, kann kaum ermessen, wie konfliktgeladen die Wahl einer solchen Spaß-Parole sein kann. Der Düsseldorfer Spruch in Anspielung auf Barack Obamas Wahlkampfslogan "Yes we can" ist nach den Maßstäben des rheinischen Karnevalswesens ziemlich gewagt. "Von Traditionalisten kamen sehr kritische und zum Teil schon merkwürdige Töne", berichtet Hans-Peter Suchand, Sprecher des Comitees Düsseldorfer Carneval. Besonders der Präsident der "Düsseldorfer Jonges" - angeblich der größte Heimatverein Deutschlands - verurteilte das "Denglisch". Suchand: "Der hat das zerrissen." Andere wandten ein, das Motto komme ein Jahr zu spät, schließlich liege Obamas Wahlkampf eineinhalb Jahre zurück. Mainz hinkt auch hinterher mit seinem Motto "Bei uns in Meenz gilt die Devise, die Fassenacht kennt keine Krise". Das hätte letztes Jahr besser gepasst. Aber das Motto wird immer schon ein Jahr im voraus erdacht - organisierter Karneval ist Planwirtschaft. In Köln ist ein Spruch wie "Jeck - we can!" völlig undenkbar. Die Domstadt ist die Hochburg der Traditionalisten. Während die Düsseldorfer und Mainzer Karnevalsfunktionäre das Motto aus hunderten von Einsendungen auswählen, entscheidet in Köln das Festkomitee unter sich. In diesem Jahr lautet das Motto "In Kölle jebützt" (In Köln geküsst). Belanglos? Von wegen! Heiße Diskussionen hat es darum gegeben. Sprachpuristen wandten ein, das sei kein astreines Kölsch, es hätte heißen müssen "En Kölle jebütz". Nicht-Kölner mögen da den Kopf schütteln, doch vom Motto hängt viel ab: Tausende Gruppen richten danach ihre Kostüme oder Sitzungen aus. Wer nach Köln zieht und sich dann in der Grundschule seines Kindes bereits im Spätsommer zu einer ersten vorbereitenden Sitzung einfinden muss, der erlebt dort, wie schon über die Grundfarbe der Zuggruppe eineinhalb Stunden lang leidenschaftlich diskutiert wird. Immer mal wieder spielte das Motto auf aktuelle Entwicklungen an: Als die Kölner 1849 auf eine "Reise nach Californien" gingen, hatte gerade der kalifornische Goldrausch eingesetzt. 1870 hieß das Motto "Die Eröffnung des Suezkanals". Als sich 1949 der erste Zug nach dem Krieg durch die Kölner Trümmerlandschaft wand, geschah dies mit dem Leitspruch "Mer sin widder do un dun wat mer künne" (Wir sind wieder da und tun, was wir können). "Es ist ein Stück weit vergleichbar mit den Parteiparolen", sagt der Kölner Karnevalsphilosoph Wolfgang Oelsner. "Wenn man etwas Gemeinschaftsstiftendes etablieren will, bedarf es auch einer entsprechenden Wortschöpfung." "In Kölle jebützt" findet er deshalb gar nicht schlecht: "Man kann es auch in einem weiteren Sinne verstehen: als Einladung, auf andere zuzugehen."

Auf einen blickSchneetreiben und Eisglätte können die Jecken nicht erschüttern: Bei knackiger Kälte haben sich gestern hunderttausende Narren durch den Straßenkarneval geschunkelt und auf die Rosenmontagszüge eingestimmt. Höhepunkt war der traditionelle Kölner "Schull- und Veedelszöch". Auch Städte wie Berlin ("Hier tanzt der Bär") oder Braunschweig - mit 221 Wagen und Zugkapellen nach eigenen Angaben der drittgrößte Umzug Deutschlands - reihten sich ein ins närrische Treiben. Zu den Rosenmontagsumzügen werden in den rheinischen Karnevalshochburgen Millionen Zuschauer erwartet. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort