Wird der Stierkampf blutiges Kulturerbe?

Madrid. Die glorreichen Zeiten des Stierkampfs in Spanien sind schon lange vorbei. Heute bläst den spanischen Toreros der Wind scharf ins Gesicht: Die Proteste wachsen, die Zuschauer bleiben weg, immer mehr Arenen machen zu. Deswegen will Spaniens Regierung das umstrittene Spektakel per Gesetz vor dem Untergang bewahren

Madrid. Die glorreichen Zeiten des Stierkampfs in Spanien sind schon lange vorbei. Heute bläst den spanischen Toreros der Wind scharf ins Gesicht: Die Proteste wachsen, die Zuschauer bleiben weg, immer mehr Arenen machen zu. Deswegen will Spaniens Regierung das umstrittene Spektakel per Gesetz vor dem Untergang bewahren. Die Konservativen wollen das Stiertöten zum "nationalen Kulturerbe" erklären. Mit diesem Gesetz möchten die Freunde der "corridas", wie diese Gladiatorenkämpfe auf Spanisch heißen, zugleich regionale Stierkampf-Verbote aushebeln."Diese Stier-Fiesta ist Teil der spanischen Kultur, des historischen Erbes aller Spanier", heißt es in der Initiative, die gerade im spanischen Kongress eingebracht wurde. Die Zweikämpfe mit den Bullen seien zudem ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der im Land "tausende von Arbeitsplätzen" schaffe. Hinter diesem parlamentarischen Vorstoß steht Spaniens Stierkampfbranche aus Toreros, Stierzüchtern und Arenabetreibern, die um ihre Zukunft fürchten. Sie haben, gestützt auf fast 600 000 Unterschriften, ein Volksbegehren ins Parlament getragen, das die Konservativen bis zum Sommer in ein nationales Gesetz gießen wollen.

Auch Spaniens konservativer Regierungschef Mariano Rajoy gab seine Unterschrift. Er erfüllte damit sein Wahlversprechen, dass er "alles Menschenmögliche unternehmen werde", damit es weiterhin in ganz Spanien Stierkämpfe geben werde. Als eine seiner ersten Amtshandlungen ordnete er 2012 an, dass Spaniens öffentliches Fernsehen die Stierspektakel wieder live im Stile einer Fußball-Übertragung ausstrahlt - und zwar zur Kinderstundenzeit nachmittags.

Kaum öffentliches Interesse

Mit dieser staatlichen Überlebenshilfe soll verhindert werden, dass die Toreros in Spanien allmählich arbeitslos werden: Umfragen zufolge interessiert sich nur noch eine Minderheit der Bevölkerung, meist ältere Menschen, für das blutige Schauspiel. Schon lange gibt es keine ausverkauften Arenen mehr: Immer mehr Kampfplätze schließen deswegen ihre Tore oder verringern die Zahl der "corridas", um die finanziellen Verluste in Grenzen zu halten. In den letzten fünf Jahren hat sich die Zahl der "Stier-Fiestas", welche früher zu jedem Dorffest gehörten, auf rund 1200 halbiert.

"Diese Aufführungen widersprechen grundsätzlichen Werten des 21. Jahrhunderts, zu denen der Respekt gegenüber Lebewesen gehört", sagt Juantxo Lopez Uralde, Sprecher der spanischen Umweltpartei Equo. Demonstrationen vor den Arenen gehören zur Tagesordnung in Spanien, wo die Stierkampfsaison im Frühjahr wieder beginnt. "Stierkampf ist Folter und keine Kultur", rufen die Gegner, die sich für neue Proteste rüsten.

In der spanischen Mittelmeerregion Katalonien, zu der die Urlaubsküste Costa Brava gehört, sind Stierkämpfe seit dem Jahr 2012 verboten. Auf den Kanarischen Inseln bereits seit mehr als 20 Jahren. Auch die baskische Stadt San Sebastian wies die Toreros aus der Arena - mit dem Argument: "Das Leiden der Tiere darf sich nicht in ein öffentliches Spektakel verwandeln." Das wird es aber höchstwahrscheinlich. Angesichts der absoluten Mehrheit der Konservativen im spanischen Parlament zweifelt kaum einer an dem Gesetz zum Schutz des Stierkampfes.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort