Wie gefährlich ist die Berliner Partymeile?

Berlin · Berlins Partyviertel hat seine Schattenseiten. Die Sängerin der Band Jennifer Rostock hat dort eine schockierende Messerattacke erlebt. Überfälle sind in der Gegend nicht das einzige Problem.

Das war knapp. Die Musikerin Jennifer Weist hat nach einer Clubnacht in Berlin einen Alptraum erlebt: Auf Facebook veröffentlichte sie das Bild ihres Begleiters, dem bei einem Überfall in den Hals gestochen wurde. Als das gruselige Foto die Runde macht, sind die täglichen Polizeimeldungen zur Kriminalität auf einmal nicht mehr anonym. Was die Frontfrau der Band Jennifer Rostock gepostet hat, trifft ein Reizthema: die Kriminalität auf Berlins bekanntester Partymeile.

Das sogenannte RAW-Gelände an der Warschauer Brücke in Berlin-Friedrichshain ist mit seinem Industrie-Charme und Graffiti ein Ort, an dem die Stadt noch aussieht wie in den wilden Jahren nach dem Mauerfall. Es ist dort "sooo Börlin", würden amerikanische Touristen sagen. Auf dem ehemaligen Eisenbahngelände gibt es Konzerte, Clubs, Yoga und Streetfood-Märkte, für die die Leute Schlange stehen. Manchen ist es fast schon zu nobel geworden. Kürzlich hat ein Poolclub aufgemacht. Der übliche Berliner Wandel. Das ist die eine Seite der Gegend.

Die andere kennt die Polizei . Anwohner sind genervt. Wegen des Nachtlebens heißt die Gegend ringsum auch "Techno-Strich" oder "Berliner Ballermann". Und wo Clubs sind, gibt es auch Drogen. Viele Dealer sind offensichtlich vom berüchtigten Görlitzer Park im benachbarten Kreuzberg nach Friedrichshain gewandert.

Ein Rundgang im Viertel: Bauarbeiter erzählen, dass sie zwischen Dixie-Klos und Paletten Drogenpäckchen finden. Ein Restaurantbesitzer, der seinen Namen nicht nennen möchte, fürchtet, dass nach den jüngsten Überfällen weniger Leute kommen. Er wünscht sich mehr Polizei . Die Dealer würden festgenommen - "und dann sind sie ein paar Stunden später wieder da". Der Betreiber des Restaurants "Mutzenbacher" wünscht sich einen Runden Tisch von Polizei , Politik und Wirten. Aber es gibt auch Anwohner, die sich "supersicher" fühlen.

Die Polizei war von Januar bis Juni mehr als 200 Mal im Einsatz. Auf Facebook gibt die Polizei Nachtschwärmern Tipps - auch wenn es unwahrscheinlich sei, dass ihnen etwas passiere. "Unternehmt nichts, was den Täter reizen könnte", heißt es beispielsweise. Oder: "Versucht, so schnell wie möglich aus der Situation herauszukommen, haut ab!"

"Das hat eine Dimension erreicht, die kann man nicht tolerieren", sagt Sven Heinemann, SPD-Abgeordneter aus dem Stadtbezirk Friedrichshain-Kreuzberg. Ein Problem sieht er in den dunklen Straßenlaternen aus DDR-Zeiten. Neben einer besseren Beleuchtung will er ein begrenztes Parkverbot, damit die Dealer Drogen nicht mehr in Radkappen und Auspuffrohren verstecken könnten. Der Göttinger Eigentümer des RAW-Geländes, Hans-Rudolf Kurth, beteuert, wie wichtig ihm Sicherheit sei, schon von Anfang an. Nachts patrouilliere Security. Büsche würden gerodet, die Beleuchtung auf dem Gelände verbessert.

Die Band Jennifer Rostock klagt inzwischen darüber, dass bei den Facebook-Kommentaren "der rechte Bodensatz des Internets" tobt. "Es geht um Aufklärung eines unfassbaren Verbrechens und nicht darum, dass jetzt Kartoffel-Bürgerwehren durch Friedrichshain spazieren."

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