Whaley Bridge Die Angst vor der Katastrophen-Flut

Whaley Bridge · Lebensgefahr im mittelenglischen Whaley Bridge: Nach tagelangem Regen droht ein Dammbruch. Tausende Bewohner wurden evakuiert.

 Vom Regen schwer beschädigt: Im mittelenglischen Whaley Bridge kämpfte die Royal Air Force mit Sandsäcken gegen einen Dammbruch.

Vom Regen schwer beschädigt: Im mittelenglischen Whaley Bridge kämpfte die Royal Air Force mit Sandsäcken gegen einen Dammbruch.

Foto: dpa/Danny Lawson

„Geht jetzt“, prangte in großen Buchstaben auf der Titelseite eines Boulevardblatts. Die Aufforderung richtete sich am Freitag an all jene Menschen des mittelenglischen Örtchens Whaley Bridge, die noch immer in ihren Häusern ausharrten. Die ihr Heim nicht verlassen wollten – trotz der Lebensgefahr, die seit Donnerstag herrscht und wegen der etwa 1500 Menschen evakuiert worden waren.

Nach tagelangen Regenfällen droht der Damm des nahegelegenen Stausees zu brechen. Durch das extreme Wetter sei das Toddbrook Reservoir, das rund 1,3 Millionen Tonnen Wasser enthält und 1831 gebaut wurde, schwer beschädigt worden, teilte die Umweltbehörde mit. Im Beton des 75 Meter langen Wehrs sind Risse erkennbar, Teile des Damms waren bereits eingebrochen. Können die Einsatzkräfte die Katastrophe verhindern? „Whaley Bridge hält den Atem an“, hieß es in Medien, die die Rettungsarbeiten in der 6500-Einwohner-Kleinstadt genau verfolgten. Es waren in der Tat kritische Stunden. Ein Hubschrauber der Royal Air Force ließ den ganzen Tag Säcke mit einer Mischung aus Sand, Kies und Schotter ab, um die Konstruktion abzusichern sowie umliegende Wasserläufe umzuleiten. Feuerwehrtrupps pumpten derweil Wasser ab, um den Pegel des Reservoirs zu senken und Druck von der Staumauer zu nehmen.

Ein Vertreter der Flussbehörde sagte, man könne „frühestens nach 24 Stunden“ sagen, ob ein Dammbruch ausgeschlossen werden könne. Ingenieure, die die bröckelnde Struktur begutachteten, befürchteten zudem, dass ein beschädigter Überlauf endgültig zusammenbrechen und „massive Überflutungen“ auslösen könne. Wegen der heftigen Regenfälle sind die Flüsse ohnehin stark angeschwollen, in einigen Ortschaften gab es bereits Überschwemmungen. Ein Dammbruch aber, so waren sich die Experten einig, wäre desaströs für den Ort Whaley Bridge südöstlich von Manchester. Mehr als eine Million Tonnen Wasser könnten dann in einer riesigen Flutwelle alles zerstören, was ihr im Weg steht. Häuser, Bäume, Autos. Immerhin, das Wetter hatte sich verbessert, am Freitag war es wärmer als in den Tagen zuvor und es schien endlich die Sonne.

Doch von einem Gefühl der Erleichterung waren die Menschen weit entfernt. Die in Sicherheit gebrachten Bewohner versammelten sich in einer Schule, brachten auf Rat der Behörden Haustiere und Medikamente mit. Andere trafen sich in Pubs oder Gemeindehallen, verbrachten die Nacht bei Freunden und Verwandten oder in Notunterkünften. „Ich lebe fast mein ganzes Leben in Whaley Bridge“, sagte Carolyn Whittle, „und ich habe weder jemals Wasser über den Damm fluten sehen wie jetzt, noch dachte ich, dass wir je auf diese Weise in Gefahr sein könnten“. Bislang ist völlig unklar, wann die Menschen, die nahe des Damms wohnen, zurück in ihre Häuser dürfen. „Wie eine Geisterstadt“ sehe der „ziemlich verlassene“ Ort aus, befand ein Mann, der Unterschlupf bei Bekannten gefunden hat. „Ich habe so etwas noch nicht gesehen“, sagte eine andere besorgte Britin, lobte aber auch die Organisation der Einsatzkräfte. Panik gebe es keine, doch Sorgen treiben sie alle um.

Derweil begannen auf der Insel die auch politischen Diskussionen, ob der Vorfall hätte verhindert werden können. Hochwasser sei eine direkte Folge des Klimawandels, sagte der Oppositionschef der Labour-Partei, Jeremy Corbyn. Das sei seit Jahren bekannt, doch die konservative Regierung habe darin versagt, die Ursachen anzugehen oder für die Auswirkungen des Notfalls vorzusorgen. Andere meinten, das angesammelte Wasservolumen sei schlicht zu groß für das georgianische Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert geworden.

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