Wettlauf gegen die Zeit auf dem Jangtse

Jianli · In einem Sturm auf dem riesigen Jangtse-Fluss kentert ein Kreuzfahrtschiff mit mehr als 450 Menschen an Bord. Bergungskräfte hören Klopfgeräusche aus dem Rumpf – doch die Rettung geht quälend langsam voran.

Wochenlang hatte sich Zhangs Frau auf ihre zweiwöchige Reise auf dem Jangtse-Fluss gefreut, noch am Morgen hat der 60-jährige Rentner mit ihr telefoniert. Nun fürchtet er, dass sie tot ist, ebenso wie möglicherweise mehr als 400 weitere Menschen. In weniger als einer Minute war ihr Schiff am Montagabend (Ortszeit) gesunken. Bis zum späten Dienstag konnten nur 14 gerettet werden - obwohl die Bergungsarbeiten auf Hochtouren liefen.

Auf dem Weg zwischen den alten chinesischen Hauptstädten Nankin und Chongqing kenterte das Ausflugsschiff "Dongfangzhixing" ("Stern des Ostens") mit 458 Menschen an Bord. Nach Angaben des Kapitäns und seines Chefmaschinisten, die das Unglück überlebten, wurde das Schiff von einem Zyklon überrascht und sank in weniger als einer Minute. Es blieb demnach keine Zeit, einen Notruf abzusetzen. Alarm schlugen sieben Passagiere , nachdem sie ans Ufer schwimmen konnten.

Obwohl ein kleiner Teil des knapp 77 Meter langen Rumpfs aus dem Jangtse ragte, kamen die Bergungsarbeiten im nach wie vor schlechten Wetter nur mühsam voran. Rund 150 Schiffe und mehr als 3000 Helfer beteiligten sich nach Angaben der Lokalzeitungen an der Rettungsaktion, darunter 140 Taucher. Koordiniert wurden sie von Ministerpräsident Li Keqiang persönlich. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit: Bergungskräfte, die mit Hämmern auf den Rumpf einschlugen, wollen Signale aus dem Inneren gehört haben - die Hoffnung ist groß, dass viele der Eingeschlossenen in Luftblasen überlebt haben. Doch trotz stundenlanger Bemühungen gab es bis zum späten Dienstag erst 14 Überlebende, fünf Insassen konnten nur noch tot geborgen werden.

An Bord des Ausflugsschiffes waren nach Angaben des Staatsfernsehens neben 47 Besatzungsmitgliedern und fünf Reiseleitern 406 Passagiere . Schiffseigner ist das auf Ausflüge in die Drei-Schluchten-Region spezialisierte Unternehmen Chongqing Dongfang. Unklar war zunächst, was genau das Schiff zum Kentern brachte. Erste Untersuchungen ergaben nach Informationen der Nachrichtenagentur Xinhua, dass es nicht überladen war und über genügend Rettungswesten verfügte. Reiseleiter Zhang Hui, der das Unglück ebenfalls überlebte, berichtete, dass ein Regensturm am Montagabend kurz nach 21 Uhr dem Schiff schwer zu schaffen machte: "Das Regenwasser strömte an der rechten Schiffsseite herunter, viele Passagierkabinen wurden geflutet", sagte er. Eine halbe Stunde später kenterte das Schiff.

Vor den Reiseagenturen in Schanghai warteten unterdessen Dutzende Angehörige voller Angst auf Nachrichten über das Schicksal der Vermissten. Zhang hat inzwischen seine Versuche aufgegeben, seine Frau auf dem Handy zu erreichen. Nun hofft er vor dem Reisebüro auf Auskunft. Doch die Tür bleibt geschlossen. "Niemand hilft uns, niemand informiert uns", klagt der alte Mann.

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