Ratschläge in Krisen-Zeiten Wenn es Politiker besser wissen wollen

Berlin · In Krisen müssen Politiker besonders aufpassen, wenn sie vermeintlich kluge Ratschläge geben. Angela Merkel ist nicht die erste, die das zu spüren bekommt.

Während Kanzlerin Angela Merkel frierenden Schülern empfiehlt, Kniebeugen zu machen, rät Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) zum „Gurgeln“, um das Coronavirus auszubremsen.

Während Kanzlerin Angela Merkel frierenden Schülern empfiehlt, Kniebeugen zu machen, rät Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) zum „Gurgeln“, um das Coronavirus auszubremsen.

Foto: dpa/Michael Kappeler

„Es gibt keinen Grund, sich dann wirklich noch am 28. Dezember einen Pullover zu kaufen, das kann man auch vorher machen“, so Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) am Dienstag in der Diskussion über einen harten Lockdown. Den Satz kann man dämlich oder herablassend finden wie die FDP, muss man aber nicht. Freilich sollte auch Müller wissen, dass man als Politiker mit Shopping-Tipps schnell den Stempel „abgehoben“ aufgedrückt bekommt.

Einem ähnlichen Vorwurf sieht sich jetzt auch die Kanzlerin ausgesetzt: „Man muss sich vielleicht wirklich noch etwas Wärmeres zum Anziehen mitbringen“, riet sie in einem Interview mit Blick auf ausgekühlte Klassenzimmer. Getreu ihres Spitznamens „Mutti“ ergänzte sie: „Vielleicht macht man auch mal ‘ne kleine Kniebeuge oder so oder klatscht in die Hände, damit man ein bisschen warm wird.“ Aber nicht dass es heiße, „die Bundeskanzlerin verlangt das“, so Merkel. Der Kanzlerin fehle der Kontakt zu den Familien, schimpft nun wieder die FDP. Seit Beginn der Corona-Krise ist Merkel allerdings um den gegenteiligen Eindruck bemüht - immer wieder hat sie betont, sie kenne die Sorgen der Bürger. Im Bundestag meinte sie am Mittwoch demonstrativ, sie wisse um den „Stress“ in den Familien.

Trotzdem, willkommen im Club derer, die mit zweifelhaften Ratschlägen für Aufregung sorgen. Mal mehr, mal weniger. SPD-Mann Peer Steinbrück ist nach wie vor der ungekrönte König der Verbalausrutscher: Als Finanzminister riet er den Deutschen 2006, im Zweifel auf eine Urlaubsreise zu verzichten, um für später vorzusorgen. Dafür kassierte er jede Menge Watschen. Der Genosse machte dann als Kanzlerkandidat 2013 klar, dass er billigen Wein ablehne. „Eine Flasche Pinot Grigio, die nur fünf Euro kostet, würde ich nicht kaufen.“ Nur eines von vielen Steinbrück-Fettnäpfchen. Auch der Anwärter auf den CDU-Vorsitz, Friedrich Merz, langte schon mal mit einer Empfehlung ordentlich daneben – als er 2018 die Deutschen aufforderte, ihr Heil bei der Altersvorsorge bitteschön im Kauf von Aktien zu suchen.

Auf besonders dünnes Eis begeben sich Politiker vor allem mit Ernährungstipps: Renate Künast zum Beispiel, die Erfinderin des grünen „Veggie Day“ im Wahlkampf 2013, oder der frühere Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU), der zur WM 2014 empfahl, auch mal Gemüse auf den Grill zu legen. Das kam gar nicht gut an. Für noch mehr Aufsehen sorgte freilich ein Hygieneratschlag des früheren SPD-Chefs Kurt Beck an einen Arbeitslosen: „Wenn Sie sich waschen und rasieren, finden Sie auch einen Job.“ Die Republik befand sich 2006 deshalb tagelang in Aufruhr. Gerade die Corona-Krise verleitet Politiker offenbar dazu, mit allerlei Tipps aufzuwarten.

Selbst Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist davor nicht gefeit: Zwar sei es wissenschaftlich noch nicht belegt, so Spahn jetzt in einem Interview, aber die Gefahr einer Corona-Infektion könne womöglich durch das „Gurgeln“ verringert werden. Die Idee dahinter sei die Minimierung der Viruslast im Mundraum. „Schaden tut es sicher nicht.“ Er jedenfalls gurgle ohnehin regelmäßig. Ähnlich kurios kam kürzlich auch der Rat von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann daher. In schönster westfälischer Mundart meinte Laumann, wenn er als Westfale eine Privatparty organisieren würde, sei „gegen Bier nicht so viel einzuwenden, aber man kann ja vielleicht mit dem Schnaps mal bisschen vorsichtiger sein“.

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