Wenn Ärzte pfuschen

Berlin. Nach Ärztepfusch ist es für die Gutachter oft schwer, den Kunstfehler zum Nachteil des Patienten nachzuweisen. Doch die Fälle, die nach Patientenbeschwerden im Auftrag von Ärztekammern oder Krankenkassen begutachtet wurden, sind mitunter auch ebenso klar wie erschreckend

Berlin. Nach Ärztepfusch ist es für die Gutachter oft schwer, den Kunstfehler zum Nachteil des Patienten nachzuweisen. Doch die Fälle, die nach Patientenbeschwerden im Auftrag von Ärztekammern oder Krankenkassen begutachtet wurden, sind mitunter auch ebenso klar wie erschreckend. Bei einem 67-jährigen Mann gingen etwa nach der Entfernung der Gallenblase die Bauchschmerzen einfach nicht weg. Erst bei einer Not-Operation in einer anderen Klinik entdeckten Chirurgen einen Beißkeil im Bauch. Der Keil sollte bei der Gallen-OP verhindern, dass der Patient in Narkose auf den Beatmungsschlauch beißt. Doch gesichert war der Keil nicht - und dass der Mann ihn verschluckte, bemerkte allerdings niemand.Eine 56-Jährige bückte sich bei der Gartenarbeit - und bekam mit einem Schlag unerträgliche Kopfschmerzen. Ihr Hausarzt schickte sie sofort in die Klinik. Dort nahmen die Ärzte erhöhten Blutdruck als Ursache an. Geschlagene sieben Tage blieb die Frau auf Station. Obwohl Gangunsicherheit, Schwindel und Koordinationsstörungen dazukamen, ließen die Ärzte erst am achten Tag eine Computertomographie machen - und entdeckten eine Hirnblutung. Die Frau hatte einen Schlaganfall. Seither hat sie Krampfanfälle und Sprachstörungen - womöglich vermeidbare Folgen.

Die gestiegenen Fallzahlen sind wohl vor allem auf eine höhere Aufmerksamkeit zurückzuführen. Die Zahl der registrierten Fehler und Unterlassungen der Mediziner ist auf 2287 im vergangenen Jahr gestigen. Insgesamt 99 Menschen starben wegen Ärztepfuschs laut diesen Zahlen.

"Eine völlig fehlerfreie Behandlung wird es nie geben", sagt der Vorsitzende der Konferenz der Gutachterkommissionen, Andreas Crusius. Rund 40 000 Beschwerden bei den Gutachterstellen der Ärzte, bei den Krankenkassen und Klagen vor Gericht gibt es insgesamt pro Jahr, schätzt Crusius. Die Trends bei den Ärzte-Kommissionen und den Gutachten des Medizinischen Diensts der Krankenkassen (MDK) sind ähnlich - so bestätigten die MDK-Gutachter die meisten Fälle in den Bereichen Orthopädie, Unfallchirurgie und Allgemeinchirurgie.

Aus Details von nachträglich aufgeklärten Fällen erhoffen sich Experten wie die Medizinrechtlerin Ingeborg Singer vom MDK Bayern Positives für die Zukunft: "Wir wollen in Zukunft solche Beispiele genauer analysieren, um eventuell konkrete Handlungsempfehlungen ableiten zu können."

Meinung

Hinschauen tut Not

Von SZ-RedaktionsmitgliedOliver Spettel

Die Gesundheit ist das höchste Gut des Menschen, deshalb sind Arztfehler, bei denen Schäden für den Patienten zurückbleiben, auch nicht zu entschuldigen. Wer diese Schuld aber einzig bei der Zunft in Weiß sucht, sieht nur die halbe Wahrheit. Angesichts der harten Arbeitsbedingungen vieler Mediziner im Alltag muss man sich fast wundern, dass nicht noch mehr passiert. Hier muss der Gesetzgeber handeln. Und zwar nicht, indem er einfach die Beweislast bei Kunstfehlerverfahren umkehrt, um damit die Rechte der Patienten zu stärken.

Vielmehr müssten auch die Mediziner bei ihren Arbeitsbedingungen entlastet werden, damit sie sich auf das konzentrieren können, was in ihrem Beruf am wichtigsten sein sollte: den Menschen.

Hintergrund

Im Saarland wurde im Jahr 2011 in insgesamt 67 Fällen ein Gutachten wegen vermuteter ärztlicher Kunstfehler erstellt. 18 davon stellten tatsächlich Behandlungsfehler bei den Patienten fest. Das entspricht einer Quote von 26,8 Prozent. Im Bundesdurchschnitt liegt der Wert bei etwa 30 Prozent. Knapp 74 Prozent der im Saarland erstellten Gutachten entfielen auf stationäre Behandlungen. Im Fachbereich der Orthopädie gab es mit knapp 25 Prozent die größte Anzahl an strittigen Fällen.

Dr. Josef Mischo, Präsident der saarländischen Ärztekammer sagte, die Ärzte dokumentierten Fehler, um mögliche Ursachen zu erkennen und Konzepte zu deren Vermeidung entwickeln zu können. spe

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