Weniger "Sprit" für Radfahrer

Berlin. Die Stimmung im Biergarten beim Schauen des EM-Spiels ist prächtig, ein Weizen nach dem anderen rinnt die Kehle hinunter. Am Ende stehen sechs halbe Liter auf dem Deckel, per Rad geht es beschwingt heim. Gerade im Sommer nutzen viele Bürger das Rad, obwohl manche kaum noch geradeaus fahren können

 Wer betrunken auf dem Fahrrad erwischt wird, muss mit einem Knöllchen rechnen. Foto:warmuth/dpa

Wer betrunken auf dem Fahrrad erwischt wird, muss mit einem Knöllchen rechnen. Foto:warmuth/dpa

Berlin. Die Stimmung im Biergarten beim Schauen des EM-Spiels ist prächtig, ein Weizen nach dem anderen rinnt die Kehle hinunter. Am Ende stehen sechs halbe Liter auf dem Deckel, per Rad geht es beschwingt heim. Gerade im Sommer nutzen viele Bürger das Rad, obwohl manche kaum noch geradeaus fahren können.Selbst die Interessensvertretung der Radfahrer, der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC), fordert gestern eine Absenkung der Alkoholgrenze auf 1,1 Promille. Ab diesem Wert soll es Bußgelder geben, wie bei Autofahrern ab 0,5 Promille. Bisher gibt es für Radler nur den Wert 1,6 Promille, ab dem es strafrechtliche Konsequenzen gibt. Dieser Wert soll aus Sicht des ADFC ebenfalls bestehen bleiben. 1,6 Promille zu schaffen ist schwer, bei Männern sind etwa vier Liter Bier notwendig. Bei den 4400 Alkoholunfällen von Radfahrern im Jahr 2009 hatten 59 Prozent einen Wert von über 1,7 Promille. Wenn die Polizei beim Pusten nur 1,5 Promille feststellt, hat sie keine Handhabe. "Das Problem ist, dass es bisher keine Grenze darunter gibt", sagt ADFC-Rechtsreferent Roland Huhn. Welches Bußgeld fällig werden könnte, darauf will er sich nicht festlegen. Bisher gilt als Faustregel, dass Radler die Hälfte der Autofahrer-Bußen zahlen. Bei über 0,5 Promille sind es hier 500 bis 1500 Euro.

Doch Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sieht bisher keinen Anlass, auf die Forderung einzugehen. "Bei Unfällen von Radfahrern unter Alkoholeinfluss gibt es bislang keine Auffälligkeiten", betont das Ministerium. Tatsächlich ging die Zahl von 4977 alkoholisierten Radfahrern, die 2005 an Unfällen beteiligt waren, auf 3489 Fälle im Jahr 2010 zurück. Relativ sind aber immer mehr Radler an solchen Unfällen beteiligt, da die Zahl aller Alkoholunfälle von 22 945 (2005) auf 15 221 (2010) insgesamt stärker zurückgegangen ist.

Bernhard Witthaut, Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hält sogar eine Absenkung der Grenze auf ein ähnliches Niveau wie die 0,5 Promille bei Autofahrern für sinnvoll. "Wer einen Führerschein hat, muss wissen, dass er das nicht darf", sagte er jüngst mit Blick auf volltrunkene Radfahrer. 29 Millionen Deutsche nutzen nach Schätzungen regelmäßig das Rad. Besonders in der Universitätsstadt Münster schlägt die Polizei Alarm und greift nun durch, hier waren von acht in den vergangenen Jahren getöteten Radfahrern fünf alkoholisiert. Im vergangenen Jahr hatten 30 von 51 Radlern, die alkoholisiert in Unfälle verwickelt waren, mehr als 1,6 Promille. Die Stadt Münster greift daher nun mit Verboten durch: Radfahrer, die mit mehr als 1,6 Promille erwischt werden, erhalten ein Radfahrverbot. Fahren sie trotzdem durch die Stadt, droht ein Bußgeld von 500 Euro.

 Wer betrunken auf dem Fahrrad erwischt wird, muss mit einem Knöllchen rechnen. Foto:warmuth/dpa

Wer betrunken auf dem Fahrrad erwischt wird, muss mit einem Knöllchen rechnen. Foto:warmuth/dpa

Der ADFC verweist darauf, dass bei Werten über ein Promille die Entscheidungsfähigkeit nachlasse, "das Trinkverhalten zu steuern oder das Fahrrad stehen zu lassen". Das Unfallrisiko vervielfache sich, weil Schutzreflexe nachließen. Die Rad-Lobby fordert aber weiter eine unterschiedliche Behandlung von Radlern und Autofahrern ("0,5 Promille für Radfahrer fänden keine Akzeptanz"). Der Radclub betont zugleich, dass der Rückgang der Alkoholunfälle von Autofahrern vor allem auf die 0,5-Promille-Grenze zurückzuführen sei, die seit 1998 gilt. Daher sei für Radfahrer auch zur stärkeren Disziplinierung der neue 1,1-Promille-Wert sinnvoll. Huhn betont: "Die gesellschaftliche Ächtung des Radfahrens unter Alkoholeinfluss ist längst noch nicht so ausgeprägt wie beim Alkohol am Steuer".

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