Weiter Rätselraten um den Alpenmord

Paris · Warum mussten vier Menschen in der Nähe des französischen Alpen-Dorfes Chevaline sterben? Weil bislang ein Motiv fehlt, bleibt der Vierfachmord trotz der Festnahme eines Verdächtigen ungelöst.

Vier erschossene Erwachsene auf einem Waldparkplatz, daneben zwei überlebende kleine Mädchen: Ein ebenso rätselhaftes wie schauriges Gewaltverbrechen erschütterte im September 2012 die Urlaubsidylle in den französischen Alpen. Rund anderthalb Jahre später gibt es nun Hinweise, dass ein früherer Polizist hinter den kaltblütig verübten Morden stecken könnte. Eine Analyse von Handydaten ergab, dass sich der am Dienstag festgenommene Verdächtige zur Tatzeit in der Nähe des Tatortes aufhielt. Ermittler entdeckten bei dem 48-Jährigen zudem mehrere Waffen.

Die Staatsanwaltschaft ist allerdings nach monatelangen Ermittlungen ohne echten Erfolg äußerst vorsichtig. "Das Blutbad ist noch immer nicht aufgeklärt", warnte Chefermittler Eric Maillaud gestern bei einer Pressekonferenz. Nach Stand der Beweislage könne gegen den Festgenommenen vermutlich kein Anklageverfahren wegen Mordes eröffnet werden. Was fehlt, ist vor allem ein Motiv. Ein Auftragsmord? Die Tat eines Verrückten? Oder ein Verbrechen aus Fremdenhass? Es habe bislang keine Verbindungen zwischen den Opfern und dem Festgenommenen entdeckt werden können, sagte Maillaud. Vermutlich könne vorerst nur der Vorwurf des Waffenhandels aufrechterhalten werden.

Die Bluttat bleibt damit eines der mysteriösesten Verbrechen der vergangenen Jahre. Ein Unbekannter erschoss am 5. September 2012 in der Nähe des französischen Alpen-Dorfes Chevaline bei Annecy ein Ehepaar und die Mutter der Ehefrau in einem Auto sowie einen vermutlich zufällig vorbeikommenden Radfahrer. Nur die beiden kleinen Kinder des bei London lebenden Paares überlebten. Die jüngere Tochter, damals vier Jahre alt, wurde erst Stunden nach Entdeckung der Tat unverletzt im Fußraum des Wagens gefunden. Die Ältere, damals sieben Jahre alt, überlebte schwer verletzt.

Den Todesopfern wurde jeweils zweimal mit einer automatischen Pistole vom Typ Luger 06 in den Kopf geschossen. Das Modell war Anfang des 20. Jahrhunderts entwickelt worden und gilt als sehr beliebt bei Waffensammlern. Bei dem Verdächtigen handelte es sich nach den bisherigen Ermittlungen ebenfalls um einen Waffensammler. Er war jetzt nach der Veröffentlichung eines Phantombildes auf der Grundlage von Zeugenaussagen festgenommen werden. Nach Informationen der Tageszeitung "Le Parisien" wurden ihm "fremdenfeindliche Äußerungen" und ein gewalttätiges Verhalten vorgeworfen.

Als eine heiße Spur galt bislang ein möglicher Erbstreit. Das Ermittlerteam hatte im vergangenen Juni den Bruder des mutmaßlichen Hauptopfers vorläufig festnehmen lassen. Für einen Haftbefehl gab es aber schließlich nicht ausreichend Belastungsmaterial - und die Ermittler mussten den Verdächtigen wieder freilassen. Die Staatsanwaltschaft verfolgte zudem Kontakte des getöteten Familienvaters in dessen Geburtsland Irak und schloss auch einen Zusammenhang mit dem beruflichen Umfeld des Briten nicht aus. Er war in der Raumfahrtbranche tätig. Wieder und wieder tauchten deswegen Spekulationen auf, er könnte in Spionageaktivitäten verwickelt sein.

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