Wecken um 5.50 Uhr

München · Journalisten und Schaulustige warteten gestern in Landsberg vergebens auf ihn: Denn Uli Hoeneß hatte sich längst an ihnen vorbeigemogelt – hinein ins Gefängnis. Dort sitzt er jetzt seine über dreijährige Haftstrafe ab.

 Fußball-Ikone Hoeneß sitzt seit gestern im Gefängnis. Foto:dpa

Fußball-Ikone Hoeneß sitzt seit gestern im Gefängnis. Foto:dpa

Genau ein Jahr bemisst die Zeitspanne, die bei Uli Hoeneß zwischen der Feier des größten Triumphs und der schwärzesten Stunde liegt: Am 2. Juni 2013 ließ er sich als Präsident des FC Bayern München von tausenden Fans auf dem Münchner Marienplatz für das gerade gewonnene Triple bejubeln. Am 2. Juni 2014 wurde der 62-Jährige zum Häftling.

"Ulrich Hoeneß hat seine Haft heute angetreten", sagte Ken Heidenreich, der Sprecher der Staatsanwaltschaft München II, nachdem sich gestern hinter Hoeneß die Tore der Justizvollzugsanstalt Landsberg geschlossen hatten. Wann genau ist ein Geheimnis. Um kurz vor 12 Uhr fuhr zumindest eine silberne Limousine mit verdunkelten Scheiben durch den Seiteneingang. Darin soll sich der wegen der Hinterziehung von Steuern in Höhe von 28,5 Millionen Euro Verurteilte befunden haben.

Noch am Morgen hatte sich Hoeneß wie üblich frische Semmeln bei seinem Lieblingsbäcker in seinem Wohnort Bad Wiessee am Tegernsee gekauft. Nun beginnt für ihn der Alltag in der über 100 Jahre alten Festungsanstalt: Er bekommt eine spartanische Acht-Quadratmeter-Zelle mit Klo, Waschbecken, Kaltwasserhahn, Tisch, Stuhl, Schrank und Bücherregal. Um 5.50 Uhr ist Wecken, um 6.20 Uhr kann er sich zum Frühstück Graubrot holen und ab 7 Uhr wird gearbeitet. Einfachste Tätigkeiten für ein paar Euro am Tag. Womöglich muss der Wurstfabrikant in der Gefängnismetzgerei wieder selbst Wurst machen. "Generaleinschluss" ist um 19 Uhr.

Doch zunächst steht für Hoeneß nun die Eingewöhnung in Landsberg an. Nach der Einlieferung musste er seinen Anzug gegen den Sträflingsanzug tauschen, so wie jeder andere Häftling auch. Und die ersten Tage wird er mit einem Zellengenossen verbringen müssen - aus Sorge um das seelische Wohl der Gefangenen ist dies üblich. In maximal zwei Wochen allerdings wird Hoeneß dann die Einzelzelle beziehen, die in der nächsten Zeit sein zu Hause wird. Mit einem Fernseher, den er sich nur beim Gefängnislieferanten kaufen darf, kann er dann die Fußball-Weltmeisterschaft verfolgen. Wie lange Hoeneß tatsächlich im Gefängnis bleibt, ist unklar. Die Vorstellung, er könnte schon bald in den offenen Vollzug wechseln - also tagsüber frei sein und nur die Nächte im Gefängnis verbringen - dürfte trügerisch sein. In Bayern wird in der Regel erst nach eineinhalb Jahren offener Vollzug gewährt, das wäre Ende nächsten Jahres. Ausnahmen sind allerdings möglich. Wegen der besonderen Beachtung seines Falls wird sich Hoeneß beim offenen Vollzug keine bevorzugte Behandlung erhoffen dürfen.

Auch der Zeitpunkt, wann er wieder ein abendliches Spiel seiner Bayern live im Stadion anschauen kann, ist noch lange hin. Das Aussetzen der Strafe zur Bewährung ist frühestens nach der Hälfte der Strafe möglich, bei Hoeneß mit seiner 42-monatigen Haftstrafe nach 21 Monaten, also im März 2016. "Zukunftsmusik" nennt Staatsanwalt Heidenreich solche Spekulationen - jetzt hat erst einmal der harte Gefängnisalltag für Ulrich Hoeneß begonnen.

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