Auszeichnung Baum, Falter, Schwein, Vogel des Jahres

Berlin · Es gibt mittlerweile unzählige Wesen und Pflanzen, die jährlich zu Besonderheiten erklärt werden. Was hat es damit auf sich?

 Die markante Flatter-Ulme ist Baum des Jahres 2019.

Die markante Flatter-Ulme ist Baum des Jahres 2019.

Foto: dpa/Roloff

Haben Sie sich die Silhouette der Flatter-Ulme eingeprägt? Wissen Sie, wie der Atlantische Lachs aussieht? Und ahnen Sie, ob die Senf-Blauschillersandbiene in Ihrer Nachbarschaft summt? Sie alle zählen zur „Natur des Jahres“ 2019. Die eine ist Baum des Jahres, der andere Fisch des Jahres und die letzte Wildbiene des Jahres. Seit Herbst verkünden Organisationen, Verbände, Stiftungen quasi am laufenden Band Tiere und Pflanzen des Jahres 2019.

Der Naturschutzbund Deutschland listet 31 „Jahreswesen“ auf: die Arzneipflanze des Jahres (2019: Weißdorn), das Höhlentier des Jahres (Gemeine Höhlenstelzmücke) und die Gefährdete Nutztierrasse des Jahres (Schwalbenbäuchiges, Rotes und Blondes Wollschwein). Aber auch Abstrakteres wie der Boden des Jahres (Kippenboden) und ganze Lebensräume wie das Waldgebiet des Jahres (urbane Wälder an Rhein und Ruhr) sind dabei. Und manches – wie die Flusslandschaft des Jahres (Lippe) und das Gemüse des Jahres (Gurke) – wird gleich für zwei Jahre gewählt. Was soll das,  und wer soll da den Überblick behalten?

„Wenn man alle Tiere/Pflanzen/Landschaften des Jahres auflistet, dann wird es in der Tat sehr unübersichtlich“, räumt Kerstin Elbing vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBIO) ein. Andererseits seien die Auszeichnungen in der Regel gut begründbar. Jeder Verband, jede Organisation habe eigene Schwerpunkte, Zielgruppen und Kommunikationskanäle, so dass viel mehr Menschen erreicht würden, als wenn man sich auf wenige Tiere, Pflanzen oder Landschaften beschränken würde. „Ich denke, da höhlt steter Tropfen den Stein.“

Denn in der Regel geht es darum, Aufmerksamkeit zu erzeugen – und zwar weit über das einzelne „Jahreswesen“ hinaus. So verknüpfte die Gesellschaft für Mykologie die Kür des Grünen Knollenblätterpilzes, von dem schon 50 Gramm beim Verzehr lebensbedrohlich sind, zum Pilz des Jahres mit der Forderung nach mehr öffentlicher Unterstützung für Pilzberater. Der Deutsche Angelfischerverband betonte bei der Auszeichnung des Atlantischen Lachses, dass vor allem der Mensch die Lebensräume der Art zerstört hat. Und die Stiftung Baum des Jahres will die bei der Renaturierung von Feuchtgebieten nützliche Flatter-Ulme neu ins Bewusstsein von Stadtplanern und Förstern holen.

Eine bedrohte Art könne nicht innerhalb eines Jahres gerettet werden, macht Birte Strobel von der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP) klar. „Während eines Aktionsjahres geht es in der Regel darum, Lobbyarbeit für Tierarten beziehungsweise Themen zu betreiben, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen und Spenden für Schutzmaßnahmen zu generieren.“ Es werde über Missstände aufgeklärt. Die ZGAP zeichnet seit 2016 das Zootier des Jahres aus und hat gute Erfahrungen gemacht. Dank Spenden konnten Langzeitprojekte profitieren, etwa durch neue Aquarientechnik für die Scharnierschildkröten-Zuchtstation in Münster.

Manchmal wird mit einer erneuten Kür auf eine negative Entwicklung aufmerksam genacht: 20 Jahre nach der ersten Wahl des Vogels des Jahres ist es 2019 beispielsweise erneut die Feldlerche, weil sich ihr Rückgang fortgesetzt hat. In anderen Fällen geht es ums Image: so wie bei der Auszeichnung Mikrobe des Jahres. Sie soll zeigen: Nicht jedes Bakterium macht krank.

Los ging es übrigens 1971 mit dem Vogel des Jahres. 1980 folgte die Blume des Jahres (2019: Besenheide). Vor allem nach der Jahrtausendwende kamen weitere Auszeichnungen hinzu, die sich besonders auf immer kleinere Pflanzen- und Tiergruppen bezogen. Das erleichtert die Abgrenzung nicht gerade: So gibt es neben dem Vogel des Jahres seit 2014 den Seevogel des Jahres (Eiderente). Es gibt das Insekt des Jahres (Rostrote Mauerbiene), aber auch den Schmetterling (Schachbrettfalter), die Libelle (Schwarze Heidelibelle) und eben die Wildbiene des Jahres. Da konnte sich das Wirbellose Tier des Jahres (2001 bis 2007) nicht durchsetzen. „Dies ist aber eines der wenigen Beispiele für die Einstellung der Auszeichnung“, so Elbing.

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