"War gar nicht so schwer, das zu erfinden"

Augsburg. Wenn es Anfang der 1950er Jahre in Augsburg weniger geregnet hätte, wäre Alois Nickl vielleicht nie auf die Idee mit der Auto-Waschanlage gekommen. Weil das Wetter aber recht launisch war, hatte der Tankstellen- und Werkstattbesitzer ein Problem: Wenn es geregnet hatte, hinterließ die Sonne hässliche Schlieren auf der Autokarosserie

 Alois Nickl präsentiert stolz das erste Modell einer Auto-Waschanlage. Foto: SZ

Alois Nickl präsentiert stolz das erste Modell einer Auto-Waschanlage. Foto: SZ

Augsburg. Wenn es Anfang der 1950er Jahre in Augsburg weniger geregnet hätte, wäre Alois Nickl vielleicht nie auf die Idee mit der Auto-Waschanlage gekommen. Weil das Wetter aber recht launisch war, hatte der Tankstellen- und Werkstattbesitzer ein Problem: Wenn es geregnet hatte, hinterließ die Sonne hässliche Schlieren auf der Autokarosserie. "Dann kamen alle gleichzeitig in meine Waschhalle", sagt Nickl.

Vier Angestellte polierten dort mit Wasser, Lauge und weichen Tüchern die schmutzigen Autos in einer halben Stunde wieder auf Hochglanz. Zu Stoßzeiten standen die Wagen vor Nickels Werkstatt Schlange. "Da waren unsere Kapazitäten schnell erschöpft." Nickl, heute 82, wollte mehr Leute anstellen. Doch es war die Zeit, als es in Deutschland zu viel Arbeit gab und zu wenig Arbeitskräfte. Also fing der Kfz-Meister an zu tüfteln. Waschstraßen gab es schon, in Amerika und auch vereinzelt in Europa. "Aber welche Tankstelle hat schon Platz und Geld für so ein Monstrum?", sagt Nickl. Viele Tage und Nächte dauerte es, bis er eine Lösung gefunden hatte. "In manchen Wochen kam er kaum aus der Werkstatt", erinnert sich seine Frau. "Aber dann wusste ich, wie ich es angehen muss", sagt Nickl. Stolz zeigt er auf das Modell der "ersten fahrbaren Portalwaschanlage mit Bürsten".

Das Modell hat er aus Holzleisten und jenen Bürsten zusammengeschraubt. Es sieht aus wie ein Kinderspielzeug, aber zum ersten Mal war jemand auf die Idee gekommen, eine Auto-Waschanlage auf kleinstem Raum zu konstruieren. All die Jahre hat Nickl seinen Schatz im Keller aufbewahrt. Jetzt sitzt er am Esstisch, blickt auf sein Leben zurück und streicht liebevoll über das Holz. "War eigentlich nicht so schwer, das zu erfinden." Im Eigenbau hat er die Anlage 1963 in seiner Waschhalle montiert. Doch niemand konnte garantieren, dass die Bürsten nicht den teuren Lack der Autos zerkratzen würden. Für die erste Wäsche opferte Nickl deshalb seinen Wagen. "Ein himmelblauer Porsche, grauenhaft", wirft seine Frau lachend ein. "Stimmt, schön war der nicht. Aber ich spüre heute noch die Angst, als die Anlage über das intakte Auto rollte", sagt Nickl.

Die Maschine hielt der Prüfung stand. Und das Beste war: Statt in einer halben Stunde schaffte die neue Anlage die Autowäsche in knapp zwei Minuten. Jetzt ging der Rummel in Nickls Werkstatt erst richtig los. Aus ganz Deutschland kamen die Menschen, um die neue Waschanlage auszuprobieren. Ein befreundeter Ingenieur riet Nickel, seine Erfindung als Patent anzumelden. "Ich konnte das zuerst gar nicht glauben", sagt Nickl. "So etwas zu erfinden, das kann doch jeder. Man braucht nur eine gute Idee." Genau das war das Problem: Nickls Idee war genial und die Zahl der Nachahmer groß. Noch während die Patentanmeldung lief, reklamierten zwei andere Kfz-Meister die Erfindung für sich. Doch Nickls Anwalt konnte den Gegenbeweis erbringen und so wurde Nickl das Patent zugesprochen. Eine Augsburger Firma übernahm daraufhin Herstellung und Export der Auto-Waschanlagen nach Nickls Plänen. Die Nachfrage war riesig.

Vor ein paar Jahren hat der 82-Jährige seine Werkstatt verkauft. Doch noch immer beschäftigt ihn das Autowaschen. Er hat in seiner Freizeit ein Gerät entwickelt, mit dem man mühelos im eigenen Garten seinen Wagen säubern kann: Und zwar mit Hilfe eines Gartenschlauchs und einer Heckenschere, die vorne mit zwei Schwämmen ausgestattet ist. Manchmal putzt er damit seinen Wagen. Allzu oft hat er dazu jedoch nicht die Gelegenheit. "Meine Frau fährt unsere Autos ein Mal pro Woche in die Waschanlage. Die sind blitzblank", sagt er und lacht.

Längst gibt es neue Methoden, sein Auto zu säubern; moderne Bürsten, deren Borsten aus weichen Lappen hergestellt sind. Aber Nickl schiebt er verschwörerisch den Kopf nach vorne. "Soll ich Ihnen mal ein Geheimnis verraten? Egal, wie gut die Waschanlage ist: So richtig sauber wird das Auto nur, wenn man es von Hand poliert."

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