Von Gisela Gross und Jutta Schütz Vier Verdächtige – aber keine Beute

Berlin · Drei Monate nach dem Raub aus dem Bode-Museum verhaftet die Polizei vier Männer. Doch wo ist die Millionenmünze?

 Die geraubte 100 Kilogramm schwere kanadische Goldmünze „Big Maple Leaf“ zeigt die britische Queen Elizabeth II.

Die geraubte 100 Kilogramm schwere kanadische Goldmünze „Big Maple Leaf“ zeigt die britische Queen Elizabeth II.

Foto: dpa/Marcel Mettelsiefen

„An- und Verkauf von Gold und Silber (aller Art), Zahn- und Bruchgold, Münzen“: Die Dienste, die ein Juwelier an der Sonnenallee in Berlin-Neukölln auf einem Werbeschild anpreist, bekommen an diesem Tag eine neue Bedeutung. Der unscheinbare Laden ist am Mittwochmorgen Ziel einer Razzia, Fahnder durchsuchen ihn. Wurde von hier aus die 100-Kilo-Goldmünze zu Geld gemacht, die vor gut drei Monaten aus dem Berliner Bode-Museum gestohlen wurde? Es war ein ebenso dreister wie spektakulärer Coup. Der reine Goldwert der seltenen Münze: 3,7 Millionen Euro.

Doch jetzt sind Verdächtige gestellt. Vier Männer, 18 bis 20 Jahre alt, sitzen in U-Haft. Zwei von ihnen sollen direkt an der Tat beteiligt gewesen sein. Ermittelt wird zudem gegen neun weitere Personen aus dem Bereich eines Familienclans, der den Ermittlern nicht unbekannt ist. Darunter sind laut Angaben auch Väter der nun Festgenommenen.

Der Juwelier in der von arabischen Geschäften und Imbissen geprägten Straße in Neukölln soll der Hehler bei dem Millionengeschäft gewesen sein, er ist aber weiter auf freiem Fuß. Abgeschlossen sind die Ermittlungen noch nicht. Der Diebstahl der Münze – so schwer wie vier Zementsäcke und ungefähr so groß wie ein Autoreifen – hatte Ende März deutschlandweit für Aufsehen gesorgt. Die Diebe waren in der Nacht zum 27. März über die Bahntrasse gekommen, die wenige Meter am Museumsgebäude vorbeiführt. Im Inneren brachen die Täter eine Panzerglasvitrine auf, wuchteten das schwere Goldstück aus einem Fenster und verschwanden damit – wohl mit Hilfe einer Schubkarre und später einem Auto. Die Polizei spricht von einer komplexen Tat mit „enormer krimineller Energie“.

Den Ermittlern war schnell klar: Es muss einen Tippgeber aus dem Museum gegeben haben. Sie kamen auf einen Mann, der bei einem Subunternehmen angestellt und als Aufseher in dem Haus auf der Museumsinsel arbeitete. Er war bereits polizeilich aufgefallen – mit Kennzeichendiebstahl und Tankbetrug. Auch habe er einmal in einem Baumarkt versucht, mit einem Meißel einen Tresor aufzuhebeln, wie ein LKA-Experte berichtet. Der Aufseher soll erkannt haben, dass eine große Beute zu holen sei. Über einen Mittelsmann kam der Clan ins Spiel. Aufseher und Kontaktmann sind nun ebenfalls in U-Haft.

Doch wo ist die Beute? Ermittler Carsten Pfohl ist Realist: „Meine Hoffnung, dass wir die Münze auch nur in Teilen finden, ist leider relativ gering.“ Vermutlich sei das kostbare Stück in Teilen oder ganz verkauft worden. Fachleute hatten von Anfang an befürchtet, dass die Münze eingeschmolzen werden sollte. Vielleicht finden sich noch winzige Goldspuren auf der beschlagnahmten Kleidung und fünf Autos der Tatverdächtigen, so die Hoffnung.

Kriminelle Clans machen Polizei und Staatsanwaltschaft in der Hauptstadt immer wieder schwer zu schaffen. Die Großfamilien schotteten sich von der Allgemeinheit ab und seien auch anderswo in Deutschland ein größeres Problem, sagte Oberstaatsanwältin Martina Lamb.

Spektakuläre Überfälle wie vor einigen Jahren auf ein prominent besetztes Pokerturnier oder auf das Luxuskaufhaus KaDeWe gingen auf das Konto von Mitgliedern. Allein in Neukölln sollen sieben Clans aktiv sein. Die Familien gelten als Spitze der Unterwelt, sie verdienen ihr Geld vor allem mit Rauschgiftschmuggel und -handel, aber zum Beispiel auch mit Zuhälterei.

Kommt es nach langen Ermittlungen doch zu Prozessen, haben die Angeklagten, die oft keiner geregelten Arbeit nachgehen, jedoch teure Anwälte. Familienmitglieder und Zeugen werden oft eingeschüchtert, bis sie nicht mehr aussagen.

 Polizeibeamte führen in Berlin einen Mann ab. Er ist einer von vier Tatverdächtigen, die gestern festgenommen wurden.

Polizeibeamte führen in Berlin einen Mann ab. Er ist einer von vier Tatverdächtigen, die gestern festgenommen wurden.

Foto: dpa/Paul Zinken

Schon 2015 ging aus einer Untersuchung für den Berliner Senat hervor, dass Großfamilien und Clans mit mehreren Tausend Mitgliedern in Teilen Berlins ein Klima der Angst geschaffen hätten. Die Übergänge zur Organisierten Kriminalität seien fließend.

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