US-Soldaten hatten die coolste Musik

Rasdorf/Kaiserslautern · In der Nachkriegszeit dudelten im Radio vor allem Herzschmerz- und Heimat-Schnulzen. Doch der US-Soldatensender AFN brachte den Rock 'n' Roll nach Deutschland. Eigentlich sollte der Sender nur zur Aufmunterung der GIs dienen.

Jazz, Rock und Pop statt Schlager, Klassik und Kinderchor: Schon lange Jahre vor den ersten Jugendradios in Deutschland haben die Soldatensender der Alliierten nicht nur die Charts, sondern auch das Lebensgefühl der Teenager in Westdeutschland stark mitgeprägt. AFN - aufgeschlüsselt heißt es American Forces Network - war neben dem Piratensender Radio Caroline, der BBC und Radio Luxemburg genau der Sender, der den Teenagern eine ganze Kultur aus den USA mitbrachte. Seine Musik und die erfrischende Art, Radio zu machen, war schon in der Nachkriegszeit stilbildend für Generationen: An diesem Wochenende nun feiert AFN mit einer Party im hessischen Rasdorf seinen 70. Geburtstag. Dabei hatte dieser Hörfunk ursprünglich eine ganz andere Zielgruppe, nämlich amerikanische Soldaten, Militär-Bedienstete und ihre Familien.

AFN wurde noch im Zweiten Weltkrieg gegründet und ging im Juli 1943 erstmals auf Sendung. Die Radiomacher folgten den US-Truppen auf ihrem Vormarsch in Europa, überall entstanden lokale Sender. Im August 1945 wurde das AFN-Hauptquartier in Europa von London nach Frankfurt verlegt. Heute ist sie auf der Air Base im rheinland-pfälzischen Ramstein. Im Umfeld von Kaiserslautern bis in Teile des Saarlandes hinein kann man auch heute "AFN Eagle" über UKW im Autoradio und über Antenne empfangen. 2014 steht der Umzug nach Sembach bevor.

Für die Hörer im amerikanisch besetzten Süddeutschland bot AFN - ebenso wie es im Nordwesten Deutschlands das britische Soldatenradio BFBS tat - in der Nachkriegszeit eine akustische Frischzellenkur. Denn in den meisten Sendern wurde bis in die Siebziger Jahre hinein nur fade musikalische Kost geboten: Schlager über Caprifischer, Seemänner, Liebe und Heimat. "All dies bildete den musikalischen und kulturellen Mainstream in einer Zeit, die vom Bedürfnis nach Verdrängung der Vergangenheit und heiler Welt geprägt war", sagt dazu der Zeitzeuge Volker Bausch, Direktor der Point Alpha Stiftung. Der heutige Chef von AFN Wiesbaden, Gary Bautell, erinnert sich: "Das deutsche Radioprogramm war damals sehr langweilig. Wir haben den Menschen zum Beispiel den Rock 'n' Roll näher gebracht. So was war wenigen bekannt." AFN brachte Little Richard, Elvis Presley, Johnny Cash, Dean Martin und das legendäre "Rat Pack". Später folgten die Beach Boys, The Doors und Gitarren-Gott Jimi Hendrix. Das Erfolgsrezept von AFN war die klare Ausrichtung als Musikradio, sagt Musik- und Medienwissenschaftler Wolfgang Rumpf. Dort sei immer das gelaufen, was gerade in den Vereinigten Staaten populär gewesen und in den Charts gewesen sei. Der Musikmix habe auch die Funktion gehabt, für die GIs im fremden Deutschland Heimatgefühle zu erzeugen. "Durch AFN wurde ein ungezwungenes, optimistisches Lebensgefühl transportiert. AFN verfügte über eine magische Anziehungskraft", sagt Medienwissenschaftler Rumpf. Auch die Moderatoren wirkten locker, hatten stets einen coolen, Spruch parat. Es gab schräge Typen, gegen den Strich gebürstete Programme.

Einer der bekanntesten Moderatoren neben Bill Ramsey, der auch in der Bundesrepublik Karriere machte, war Wolfman Jack. Er moderierte in den Sechziger und Siebziger Jahren, war ursprünglich Discjockey. Sein Markenzeichen war eine unvergleichliche Stimme, die stets stark heiser klang. Auch der in Saarbrücken langjährige SR1-Moderator Clay Sherman kam vom AFN.

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