100 Jahre Beate Uhse erklärte den Deutschen Sex

Flensburg · Mit ihrem Erotik-Imperium krempelte die Unternehmerin die Gesellschaft um. Heute wäre sie 100 Jahre alt geworden.

 Beate Uhse war Pilotin, bevor sie zu einer der berühmtesten Unternehmerinnen der deutschen Nachkriegsgeschichte und zur Vorkämpferin für sexuelle Freiheit wurde.

Beate Uhse war Pilotin, bevor sie zu einer der berühmtesten Unternehmerinnen der deutschen Nachkriegsgeschichte und zur Vorkämpferin für sexuelle Freiheit wurde.

Foto: dpa/-

) Beate Uhse hieß eigentlich nur für ungefähr zehn Jahre ihres Lebens so, von der Heirat mit ihrem ersten Ehemann Hans-Jürgen Uhse 1939 bis zu ihrer zweiten Hochzeit mit Ernst-Walter Rotermund 1949. Da war „Beate Uhse“ schon ein etablierter Markenname für Aufklärungsbücher, Sexhilfen und Verhütungsmittel. An diesem Freitag wäre sie 100 Jahre alt geworden.

Die Marke stand für Aufklärung, Sex und Erotik. Zeitweise führte Beate Uhse zwei Millionen Kunden in den Firmenkarteien. Das ist lange vorbei, von dem Unternehmen sind nur Fragmente geblieben. Es hatte schon seinen Zenit überschritten, als Beate Rotermund 2001 im Alter von 81 Jahren in der Schweiz starb.Fast vergessen ist auch der Beitrag, den Rotermund in den 50er und 60er Jahren für gesellschaftlichen Wandel und einen freieren Umgang mit Sexualität leistete – gegen den härtesten Widerstand von Justiz und Kirche. Aus heutiger Sicht ist kaum noch nachvollziehbar, dass die Justiz rund 400 Strafverfahren gegen Beate Uhse führte. Staatsanwälte warfen der Firma vor, sie verbreite „schleichendes Gift zur Versuchung der sexuellen Fantasie“ und leiste der „Enthemmung und Entsittlichung“ des Sexuallebens Vorschub. Die geschäftstüchtige Beate Rotermund wusste den medialen Wirbel um ihre Auftritte vor Gericht für ihr Unternehmen zu nutzen – und wurde gleichzeitig eine frühe Aufklärerin der prüden Nation. „Die Unkenntnis und Fantasielosigkeit vieler war beängstigend“, schrieb sie in ihrer Autobiografie. „Hunderte, Tausende von Briefen schrieb ich, und in jeder Zeile war ich bemüht zu vermitteln, dass Sex nichts Böses ist, sondern ein wichtiger Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens.“

Geboren wurde die spätere Unternehmerin als Beate Köstlin in privilegierte Verhältnisse: Sie wuchs auf einem großen Gutshof in Ostpreußen auf. Mit 15 Jahren wurde das sportliche Mädchen hessische Meisterin im Speerwurf, ging nach dem Abitur für ein Jahr nach England und absolvierte dann eine Ausbildung zur Pilotin. Im Krieg heiratete Beate ihren Fluglehrer Hans-Jürgen Uhse, bekam 1943 ihren ersten Sohn Klaus und machte Karriere als Pilotin bei Privatfirmen und am Ende auch bei der Wehrmacht. Bei Kriegsende war sie Hauptmann der Luftwaffe und konnte mit ihrem Sohn und einem Kindermädchen mit einem Flugzeug nach Schleswig-Holstein flüchten. Da war ihr Mann bereits tot und auch die Eltern überlebten den Krieg nicht; sie wurden Opfer der Roten Armee. Nach einer kurzen Gefangenschaft war Beate Uhse im Alter von 26 Jahren eine mittellose und verwaiste Kriegerwitwe mit einem Kleinkind in einem Dorf in Schleswig-Holstein, so wie viele Flüchtlinge.

 Heute wäre  Beate Uhse  100 Jahre  alt geworden.

Heute wäre Beate Uhse 100 Jahre alt geworden.

Foto: dpa/Stefan Hesse

Durch eine Reihe von Zufällen konnte sie mit einer einfachen Aufklärungsschrift über die fruchtbaren Tage der Frau ein Startkapital erwirtschaften. Damit war der Grundstein für das Imperium gelegt. Beate Uhse setzte sich durch, vor allem dank der Hartnäckigkeit der Gründerin. Mit der sogenannten Sexwelle ab den späten 60er Jahren und der Legalisierung der Pornografie für Erwachsene ab 1975 fielen die Schranken für das Wachstum. Gemeinsam mit ihrem Sohn Ulrich Rotermund brachte sie das Unternehmen 1999 an die Börse. Gehalten hat sich nur der Erotik-Versand Orion, der von Maike Rotermund geleitet wird, einer Stiefenkelin von Beate Rotermund. Heute wird Beate Rotermund zwiespältig beurteilt. „Das ist alles andere als die Emanzipationsgeschichte einer Frau nach 1945, die für die sexuelle Freiheit und das Glück der Menschen kämpft“, urteilt die Autorin Katrin Rönicke, die eine Biografie über Beate Rotermund veröffentlicht hat. Für die Anti-Porno-Feministinnen um Alice Schwarzer war die Flensburgerin ohnehin ein rotes Tuch. Die bürgerliche Gesellschaft machte am Ende ihren Frieden mit der Sex-Pionierin und verlieh ihr in Flensburg das Bundesverdienstkreuz. Dort gibt es seit einigen Jahren auch eine Beate-Rotermund-Straße.

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