Um uns kreisen flinke Handgranaten

KÖLN · Das All ist voller Müll. Weil dieser nicht nur für Satelliten eine Gefahr ist, beraten ab heute Experten in Darmstadt über eine Lösung.

(afp) Als die Wolke aus Weltraummüll auf sie zurast, sind die Astronauten mit Reparaturarbeiten beschäftigt. Im Kinofilm "Gravity" zerstört der High-Tech-Müll ein Shuttle-Raumschiff, das Hubble-Teleskop und die Internationale Raumstation ISS. Phantasievolle Science-Fiction? Mitnichten. So realitätsfern ist das Szenario nicht. In erdnahen Umlaufbahnen rast eine derart große Menge Weltraumschrott um den Planeten, dass mittelfristig die Raumfahrt in Gefahr geraten könnte. Ab heute beraten daher in Darmstadt hunderte Experten über Methoden, die für Sonden und Satelliten gefährlichen Trümmer unschädlich zu machen.

Bereits zum siebten Mal findet die weltweit größte Veranstaltung zu Raumfahrtrückständen im Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA statt. Wissenschaftler, Ingenieure und Manager aus allen wichtigen Raumfahrtnationen tauschen dabei vier Tage lang die neuesten Erkenntnisse über Weltraumschrott aus. Im Mittelpunkt: Strategische Ansätze sowie technische Optionen zum Umgang mit dem Weltraummüll. Dass die "Gravity"-Geschichte nicht frei erfunden ist, zeigt auch eine Begebenheit vom Juli 2015: Damals, zwei Jahre nach dem Kinostart des Films, musste sich die ISS-Besatzung vor vorbeifliegendem Weltraummüll in Sicherheit bringen. Die Raumfahrer zogen sich in eine russische Raumkapsel zurück, die an der ISS angedockt war. Der Schrott sauste nur knapp an der Raumstation vorbei. Es war bereits das vierte Mal, dass die ISS-Besatzung wegen vorbeifliegender Schrottteile kurzfristig "umziehen" musste.

Bei dem Weltraummüll handelt es sich um ausgediente Raketenstufen, abgeschaltete Satelliten oder um nur Millimeter große Teile. Laut ESA umrunden derzeit 750 000 Objekte von mehr als einem Zentimeter Größe die Erde - mit einer Geschwindigkeit von durchschnittlich mehr als 40 000 Stundenkilometern. Die Zahl der Schrottteile ab einem Millimeter Größe beträgt sogar 170 Millionen. Der Einschlag eines nur ein Zentimeter großen Objekts in einen Satelliten setzt die Energie einer Handgranatenexplosion frei. Etwa 18 000 dieser Trümmerteile sind so groß, dass sie regelmäßig von Überwachungssystemen verfolgt werden können.

Weltraummüll entsteht beispielsweise bei den mehr als 4900 Raketenstarts, die seit Beginn des Raumfahrtzeitalters vor fast 60 Jahren stattgefunden haben. Dabei sind große sowie kleine Teile in die Erdumlaufbahnen gelangt. Außerdem wissen die Forscher von mehreren Kollisionen großer Objekte, die Weltraumschrott hinterlassen haben. Ein Beispiel: Der US-Satellit Iridium 33. Er kollidierte am 10. Februar 2009 mit dem abgeschalteten russischen Satelliten Kosmos 2251. Beide wurden total zerstört - und die "Müllhalde" im Erdorbit wuchs um weitere mindestens 2200 Trümmerteile. Eine der größten Gefahren besteht in der Kollision von großen Schrottobjekten. Denn diese können eine folgenschwere Kettenreaktion ("Kessler-Syndrom") auslösen: Die Teile stoßen mit gigantischer Geschwindigkeit zusammen und zersplittern. Mit steigender Anzahl der Teile wächst auch das Gefahrenpotenzial an. So könnten Teile des erdnahen Weltraums für die Raumfahrt unbrauchbar werden.

Im Kampf gegen den Weltraummüll wollen die Experten in Darmstadt auch die "aktive Entfernung" erörtern: Ein Raumfahrzeug startet dabei zu einem großen Schrottteil und sammelt es ein.

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