Der bizarre Göhrdemorde-Fall Mörder mit Hang zum Begraben

Lüneburg · Unter seiner ehemaligen Garage in Lüneburg wird eine Tote gefunden. Fünf Menschen soll der Mann, der sich selbst bereits 1993 selbst das Leben nahm, ermordet haben, doch er könnte für viele weitere Taten verantwortlich sein.

 Polizisten graben auf dem Grundstück eines früheren Friedhofsgärtners in Lüneburg nach Beweisstücken. Der Mann soll für mindestens fünf Morde verantwortlich sein.

Polizisten graben auf dem Grundstück eines früheren Friedhofsgärtners in Lüneburg nach Beweisstücken. Der Mann soll für mindestens fünf Morde verantwortlich sein.

Foto: dpa/--

Rote Damenschuhe, Schmuck, Handtaschen und der hintere Teil eines Revolvers: Die Polizei hat auf dem Grundstück eines früheren Friedhofsgärtners in Lüneburg besorgniserregende Funde gemacht. Er hat hier – in der beschaulichen Stadt in Niedersachsen – lange gelebt. Der Rotklinkerbau in eher gediegener Lage am Stadtrand ist sein Elternhaus, unter der Garage wurde 2017 eine Tote gefunden. Der Mann soll für mindestens fünf Morde verantwortlich sein, doch prüfen die Ermittler mittlerweile mögliche Verbindungen zu mehr als 230 Fällen, darunter Vergewaltigungen und Vermisstenfälle. Der mutmaßliche Serienmörder kann dazu nichts mehr sagen – er hat sich 1993 umgebracht, als er wegen anderer Vorwürfe in Haft saß.

„Er hat eine Affinität zum Graben“, sagt Jürgen Schubbert über den Friedhofsgärtner, der auch ein ganzes Auto in der Erde verschwinden ließ. Der erfahrene Hauptkommissar leitet die Ermittlungsgruppe Göhrde (EG Göhrde), kürzlich wurde sie auf acht Mitarbeiter aufgestockt. Benannt ist das Team nach einem Waldgebiet östlich von Lüneburg, in dem 1989 zwei Liebespaare getötet wurden, als Göhrdemorde machten die Taten bundesweit Schlagzeilen. Jahrzehntelang bleiben sie ungeklärt, der Täter konnte entkommen. Doch er hat die Autos seiner Opfer für die Flucht genutzt, das bringt Licht ins Dunkel. Die Polizei kann mit stetig verbesserten Methoden 2017 zwei DNA-Spuren in einem der Autos auswerten, die auf den Gärtner weisen.

Auch durch einen anderen Fall von 1989 kommt nach vielen Jahren Bewegung in die Ermittlungen. Auf einem Grundstück in Lüneburg wird im September 2017 unter einer Garage die Leiche der seit 1989 vermissten Birgit Meier entdeckt. Den grauenvollen Fund macht ihr Bruder, ehemaliger Leiter des Landeskriminalamts Hamburg – er hat die Suche nach seiner Schwester nie aufgegeben. Im April 2018 startet die Polizei auf dem Grundstück eine wochenlange Suche, auch Bagger, speziell ausgebildete Hunde und ein Bodenradar kommen zum Einsatz.

„Es wurden rund 400 Spuren und Gegenstände sichergestellt“, sagt Mareike Kowalewski, Sprecherin der Polizeidirektion Lüneburg. Nachdem die tote Birgit Meier entdeckt wird, richtet die Polizei eine Clearingstelle bei der EG Göhrde ein. Die Ermittler verfassen ein Skript mit ihren Erkenntnissen und verbreiten es polizeiintern. Ein Bewegungsbild des Gärtners wird erstellt, der längere Zeit auch in Karlsruhe lebt. Andere Dienststellen im In- und Ausland sollen sich mit der Ermittlungsgruppe in Verbindung setzen und so alte Fälle anhand der Göhrdemorde abgleichen.

„Bislang haben mehrere Dutzend Dienststellen schon über 230 verschiedene Fälle gemeldet, die von Interesse sein könnten“, sagt Kowalewski am Freitag. Darunter seien auch Vermisstenfälle und Vergewaltigungen, hatte es Anfang Mai geheißen. Alle denkbaren Zusammenhänge werden dabei untersucht, wenn es nur Parallelen zu den bekannten Taten gibt.

Auch wenn gegen Tote nicht ermittelt wird, zeigt sich die Polizei bei vielen Einzelheiten verschlossen. Hintergrund: Der Gärtner soll nicht allein gehandelt haben. Zumindest in einigen Fällen soll er von einem Komplizen unterstützt worden sein. Der Mann ist der Polizei bekannt und wird als Beschuldigter geführt. Doch er schweigt und will nicht mit den Ermittlern sprechen.

Bei der langen und auch finanziell aufwendigen Spurensuche geht es nicht nur um die rein kriminalistische Aufarbeitung der bekannten Morde. „Es ist so, dass an diesen fünf Opfern Menschen hängen“, betont Schubbert. „Wir finden immer noch weinende Angehörige.“ Seine Ermittlungsgruppe soll später in der Einheit „Cold Case“ aufgehen, die unlängst in Lüneburg eingerichtet wurde. Diese soll sich dann dauerhaft mit seit Jahren nicht geklärten Fällen beschäftigen.

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