Tödliches Erbschaftsdrama im Gerichtssaal
Landshut. Nicht nur Reinhard Kriesel dachte bei den Schüssen im Landshuter Landgericht sofort an einen Amoklauf - knapp vier Wochen nach Winnenden
Landshut. Nicht nur Reinhard Kriesel dachte bei den Schüssen im Landshuter Landgericht sofort an einen Amoklauf - knapp vier Wochen nach Winnenden. Der Finanzbeamte war am Dienstagvormittag in einem Prozess im Erdgeschoss des Gerichts, als im Foyer eine Etage darüber ein 60 Jahre alter Sportschütze seine 48-jährige Schwägerin mit einem Schuss in den Kopf tötete und eine weitere Schwägerin mit einer Kugel verwundete. Nachdem der Täter auch noch einen Anwalt getroffen hatte, brachte er sich im Gerichtssaal ebenfalls mit einem Kopfschuss um. In den anderen Räumen des Gebäudes brach die blanke Panik aus. Auch in dem Sitzungssaal, in dem Reinhard Kriesel saß und in dem gerade eine Steuerstrafsache verhandelt wurde. "Alle von uns sind praktisch unisono aufgesprungen, wir haben uns dann im Richterzimmer verbarrikadiert", erzählt Kriesel. Neben dem Leiter der Abteilung für Steuervergehen des Landshuter Finanzamtes waren noch eine Steuerfahnderin, Richter und Schöffen sowie Verteidiger und der Staatsanwalt in dem Besprechungsraum. "Dummerweise war kein Schlüssel vorhanden", berichtet Kriesel. "Wir haben dann wie in einem schlechten Film Stühle unter die Türklinken geschoben." Alle hätten versucht, möglichst weit von den Türen wegzubleiben. Während der Schütze im ersten Stock ein Blutbad anrichtete, waren Dutzende Menschen auf den Fluren des Gerichts. Als einige Menschen im Erdgeschoss aus den Fenstern sprangen, waren hunderte Polizisten im Anmarsch. Doch schon bald hatte der verheiratete Koch sich selbst gerichtet. Der Täter hatte es offenbar nur auf seine Angehörigen und deren Anwälte abgesehen. Schon seit den 1990er Jahren führte die aus dem Landkreis Dingolfing-Landau stammende Familie einen Rechtsstreit um eine Erbschaft in Höhe von etwa 100 000 Euro. Mehrfach musste sich das Landshuter Gericht bereits damit beschäftigen. Die wichtigsten Punkte, die den 60-Jährigen in dem Verfahren betrafen, sollen eigentlich schon geklärt gewesen sein. Allerdings scheint es auch darüber hinaus bitterbösen Hass gegeben zu haben. Darauf deutet ein Brief hin, den ein Verwandter nach eigenen Angaben im Haus des 60-Jährigen entdeckt hat. Der Schreiber betont, er wolle seine Verwandten für einen jahrzehntelangen Terror bestrafen: "Ich zahle dafür den höchsten Preis: mit meinem Leben." Die Ermittler prüfen nun die Identität des Schreibers.Nach der Tragödie ist nun die Debatte um Sicherheitsschleusen in Gerichten entbrannt. An vielen Gerichten, so auch in Landshut, werden sie nur bei sehr heiklen Prozessen verwendet. Bayerns Staatskanzleichef sagte eine Prüfung zu. dpa