Todesschüsse eines Kindes

Hayden · Der Besitz von Schusswaffen ist ein heiliges Recht in den USA. Immer wieder kommt es zu tragischen Unfällen mit Pistolen und Revolvern – mitunter werden selbst Kinder zu Todesschützen. Doch ändert das nichts.

Die Geschichte ist kurz erzählt: Eine junge Mutter in den USA geht mit ihrem kleinen Sohn im Wal-Mart shoppen. Der Kleine sitzt im Einkaufswagen, langweilt sich, greift in die Handtasche der Mutter, sucht vermutlich etwas zum Spielen. Doch zu fassen bekommt er eine Schusswaffe. Irgendwie löst sich die Sicherung der Waffe, ein Schuss fällt, die Mutter bricht zusammen, stirbt wenig später noch im Supermarkt. Die Polizei spricht von einem tragischen Unfall - der kleine Halbwaise ist zwei Jahre alt.

Es ist eine sehr amerikanische Geschichte, die sich in Hayden - einem kleinen Nest im US-Staat Idaho - abspielte. Die Einzelheiten seien "erschütternd gewöhnlich", kommentiert die "New York Times" mit kritischem Unterton. Tatsächlich ist es längst nicht der erste Vorfall, bei dem Kinder mit einer Waffe den Tod bringen. Erst im Sommer hantierte eine Neunjährige auf einem Schießstand mit einer Maschinenpistole - die Kleine konnte die schwere Waffe nicht unter Kontrolle halten, ein Ausbilder starb. Wenige Monate zuvor fand eine Vierjährige in Detroit ein ungesichertes Gewehr unter einem Bett - diesmal starb der gleichaltrige Cousin. Die Liste lässt sich fortsetzten.

Was irritiert: Große, landesweite Schlagzeilen macht der Unfall in Idaho nicht. Das Land, in dem Pistolen , Sturmgewehre und Revolver zumeist frei und ohne größeren Aufwand zu kaufen sind, in dem der Waffenbesitz zum verbrieften Recht der Bürger gehört, hat sich längst an die täglichen Nachrichten über Schusswaffenopfer gewöhnt. Auch für die örtliche Polizei in Hayden ist der Vorfall nur eine kurze Mitteilung wert. Die 29 Jahre alte Mutter habe eine Genehmigung besessen, auch verborgene Waffen zu tragen, heißt es. Im Klartext bedeutet das: Es liegt kein Verbrechen vor, rechtlich ist alles in Ordnung, die Polizei braucht nicht größer zu ermitteln. "Wahrscheinlich ist ihm nicht einmal bewusst, was passiert ist", meint ein Ermittler mit Blick auf den Halbwaisen.

Es muss schon mehr Opfer geben, es müssen schon spektakulärere Vorfälle geschehen, um die Amerikaner zu erschüttern. Als vor zwei Jahren in Newtown im Staat Connecticut ein Amokläufer 20 Schulkinder und sechs Erwachsene erschoss - da schien Amerika für kurze Zeit erschüttert. Präsident Barack Obama versprach, für strengere Waffengesetze zu sorgen. Wenigstens die schlimmsten Waffen sollten vom Markt, wenigstens sollte nicht länger jedermann halb automatische Sturmgewehre kaufen können.

Doch auch die initiierte Mini-Reform ging innerhalb von Wochen sang- und klanglos im Parlamentsgetriebe unter. Es waren auch Demokraten aus dem Regierungslager, die sich der Macht der Waffenlobby beugten. Auch die Todesschüsse des Zweijährigen auf seine Mutter dürften kaum etwas ändern.

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