Prozess um Schadenersatz Der Richter und das tote Filmhuhn Sieglinde

Weeze/Kleve · Weil ihre berühmte Henne getötet wurde, will die Besitzerin 4000 Euro. Die Berufung läuft.

  Auch ein neues Huhn kann sie nicht trösten: Ute Milosevic auf ihrem Hof. Ihre Filmhenne Sieglinde erlag im Sommer 2017 einer Hundeattacke. Die Huhn-Eigentümerin verlangt deshalb vom Hund-Eigentümer Schadenersatz.

Auch ein neues Huhn kann sie nicht trösten: Ute Milosevic auf ihrem Hof. Ihre Filmhenne Sieglinde erlag im Sommer 2017 einer Hundeattacke. Die Huhn-Eigentümerin verlangt deshalb vom Hund-Eigentümer Schadenersatz.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Zehn bis 15 Euro kostet ein normales Legehuhn, Küken gibt es schon für 50 Cent. Doch wenn ein Tier erst mal prominent im Fernsehen zu sehen war, sieht die Sache anders aus. 4000 Euro forderte die Besitzerin des „TV-Huhns“ Sieglinde am Freitag vor dem Landgericht Kleve vom Eigentümer eines Hundes, der die Henne 2017 totgebissen hatte. Begründung: Sieglinde war ein Star. Sie habe zum Beispiel für den ARD-Film „Wir sind doch Schwestern“ mit großem Erfolg vor der Kamera gestanden, sagte die Eigentümerin Ute Milosevic.

Die Hundeattacke vom Juni 2017 schilderte sie vor Verhandlungsbeginn noch mal den Journalisten: Sie habe auf ihrem Hof einen Stall ausgemistet, Sieglinde habe friedlich auf dem Hof gepickt. Da sei der Hund angerannt gekommen, habe das Huhn regelrecht zerfetzt und sei dann mit Sieglinde im Maul noch eine Weile herumgelaufen. Der Besitzer konnte seinen Hund nicht stoppen. Als Entschuldigung habe er ihrem Mann einen Zehner angeboten. „Es ist doch nur ein Huhn“ – der Satz soll gefallen sein. Milosevic war empört und tief getroffen. Weinend rief sie die Tiertrainerin an, die das Huhn fernsehtauglich ausgebildet hatte.

Vor Gericht ging es nun nicht mehr um Emotionen, sondern um Schadenersatz. Schließlich sei Sieglinde mit zwei Jahren noch jung gewesen und habe bereits neue Rollen-Angebote gehabt, sagte die Besitzerin. Tierauftritte in Kino und Fernsehen seien durchaus lukrativ, berichtete Tiertrainerin Aurelia Franke-Hornung vor Verhandlungsbeginn. Hohe dreistellige Summen pro Drehtag würden regelmäßig bezahlt. Für Hühner komme es dabei vor allem auf Ruhe an. Flatternde Hühner trauten sich Schauspieler sonst oft gar nicht anzufassen. Und Sieglinde war die Ruhe selbst. Also – wie hoch ist der Schaden?

Das Amtsgericht hatte darauf in erster Instanz eine nüchterne Antwort: 15 Euro für das Huhn, 600 Euro für die Ausbildung, entgangene Honorare seien nicht Sache des Verfahrens. Die 615 Euro müssten wegen Mitschuld der Besitzerin durch zwei geteilt werden, weil Milosevic das Tier auf ihrem Hof frei hatte herumlaufen lassen – also 307,50 Euro.

Das Landgericht sah das etwas weniger streng. Zumindest eine Mitschuld der Besitzerin sei nicht anzunehmen, wenn sie ein Tier auf ihrem eigenen Grund und Boden laufen lasse, sagte der Vorsitzende Richter. Entgangene Gewinne seien aber hier kein Thema.

Die Anwältin von Milosevic beharrte dennoch auf den 4000 Euro. Sieglinde sei besonders begabt gewesen und habe in nur zehn Stunden Ausbildung alles Nötige für die Kamera gelernt. Ein neues Huhn werde möglicherweise deutlich länger brauchen und deshalb höhere Ausbildungskosten verursachen – wenn es überhaupt wieder so ein Talent gebe.

„Ja, es gibt keine Tierhandlung für Filmstars“, räumte der Vorsitzende Richter ein. „Es gibt doofe Hühner und es gibt Talente“, sagte er. „Sie kaufen ein neues Huhn, haben Glück und nach zehn Stunden kann das Huhn Fahrrad fahren.“ All das sei aber nicht Sache des Schadenersatzprozesses. Sonst müsste man ja mit dem Urteil jahrelang warten, bis die Ausbildungskosten eines Sieglinde-Nachfolgers feststünden. „Wir müssen schätzen – es geht nicht anders“, sagte er. Ende Dezember soll das Urteil fallen.

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