„Tiere, die sich als Männer verkleiden“

Neu Delhi · Ausgerechnet in der vermeintlich sichersten Stadt Indiens ist es wieder passiert: Eine junge Frau wurde in Mumbai von mehreren Männern vergewaltigt. Nichts habe sich in den vergangenen Monaten verändert, meinen viele.

"Noch eine Gruppenvergewaltigung. Noch ein Opfer. Nur ein weiterer Tag für unsere große Nation", twitterte die Autorin Shobhaa De am Freitag verbittert. Fünf Männer hatten am Vorabend eine junge Fotografin während eines Shootings in Indien überfallen und vergewaltigt. Wie bei der tödlich verlaufenen Vergewaltigung einer Studentin im Dezember 2012 musste die Frau mit inneren Verletzungen in ein Krankenhaus. Das neue Verbrechen empörte am Freitag ganz Indien - vor allem die Menschen in der Finanz- und Bollywood-Metropole Mumbai mit 18 Millionen Einwohnern, die sich bislang in einer für Frauen sicheren Stadt wähnten.

Zahlreiche Schauspieler verliehen ihrer Scham Ausdruck. "Der moralische Bankrott ist noch schlimmer als der finanzielle Bankrott. Und wir steuern auf beides zu", sagte Anupam Kher - auch angesichts der derzeit schlechten wirtschaftlichen Lage des Landes. Und der indische Superstar Akshay Kumar schrieb: "Mir kommt es wie ein Déjà-vu vor... Ehrlich, wie viele solcher Fälle brauchen wir noch, ehe wir etwas machen? Das sind Tiere, die sich als Männer verkleiden."

Seit der mörderischen Gruppenvergewaltigung im Dezember, der wochenlange Proteste folgten, ist Indien in Aufruhr. Damals war eine 23 Jahre alte Studentin in einem Bus entführt, vergewaltigt und mit einer Eisenstange gefoltert worden. Zwei Wochen später starb sie an ihren inneren Verletzungen.

Ein soziales Problem

Frauengruppen kämpfen seitdem für mehr Aufmerksamkeit gegenüber alltäglicher Unterdrückung, Gesetze gegen sexuelle Übergriffe wurden verschärft und die Polizei kämpft mit Frauen-Notrufnummern um ihr Ansehen. "Aber ein großer Teil der Gesellschaft ist noch immer nicht eingebunden", gibt die Frauenrechtlerin Vrinda Grover zu. Zwar werde viel politisch diskutiert - aber Frauen seien nach wie vor viele Grenzen gesetzt. Sie könnten sich nicht ohne Furcht auf allen Straßen frei bewegen, vor allem nachts. "Wir haben ein tief verwurzeltes soziales Problem, denn wir leben in einer tief frauenfeindlichen Gesellschaft", sagt Grover. Das sei übrigens nicht nur in Indien so: Frauen würden weltweit benachteiligt. Und die Zahl der angezeigten Vergewaltigungen, auf die Bevölkerung umgelegt, sei in Deutschland sogar höher als in Indien.

Für Ranjana Kumari, Direktorin im Zentrum für Sozialstudien in Neu Delhi, ist vor allem die langsame Rechtsprechung ein Problem: Die mutmaßlichen Täter vom Dezember stehen seit vielen Monaten vor einem Schnellgericht, doch das Urteil steht noch aus. "Wir sind gefangen zwischen einer unsensiblen Maschinerie, die Gesetze vollstreckt, und einer verantwortungslosen politischen Klasse." Eine junge Frau sagte bei Protesten am Freitag: "Ich fühle mich wirklich unsicher. Nichts hat sich seit Dezember verändert." Die junge Journalistin Mamata Sharma erklärte, sie sei nun vorsichtiger. "Die Tat ereignete sich an einem einsamen Ort, aber in der Nähe eines Bahnhofs und einer viel befahrenen Straße, um 18.30 Uhr. Müssen wir jetzt immer in Vierer- oder Fünfergruppen unterwegs sein, um unserer Arbeit nachzugehen?"

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