Täglich eine Verabredung mit Knut
Berlin. Knuts Verehrerinnen lassen ihren Liebling nie aus den Augen. Um neun Uhr kommt das erste Date, als Letzte am Tag wünscht Doris dem Eisbärstar vor dem Schlafengehen eine gute Nacht
Berlin. Knuts Verehrerinnen lassen ihren Liebling nie aus den Augen. Um neun Uhr kommt das erste Date, als Letzte am Tag wünscht Doris dem Eisbärstar vor dem Schlafengehen eine gute Nacht. Doris, Jessi, Gisela, Mervi, Marina und die anderen Frauen der Fan-Truppe "Knut forever in Berlin" unterscheiden sich auf den ersten Blick im Berliner Zoo nicht von den Touristen am Zaun des Geheges. Sie alle sind angezogen wie Touristen, Turnschuhe an den Füßen, Käppi auf dem Kopf, eine große Spiegelreflexkamera um den Hals. Sie alle verfolgen die Attraktion jede Sekunde, sie alle rufen bei jeder seiner Bewegungen begeistert auf. Doch nur sie sind immer da. 365 Tage im Jahr und praktisch vom ersten Tag an seit seiner Weltpremiere vor mehr als 500 internationalen Journalisten am 23. März 2007.
"Ach schau, jetzt gärtnert er. Er wühlt wieder mal im Dreck. Der kleine Dreck-Bär!", ruft Rentnerin Doris Webb ihren Mädels zu. Sie recken ihre Hälse, Webb stellt sich auf die Zehenspitzen. Die Frau neben ihr fasst sich ans Herz. Sie rufen Knut zu, er solle sich nicht dreckig machen. Der 250 Kilo schwere Eisbär reagiert nicht. Die Frauen rufen noch lauter, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Vor Gehege Nummer 45, gleich neben dem Bärenfelsen, hat sich inmitten der Touristen der besondere Fan-Club zusammengefunden. Zehn Dauerkarten-Besitzer aus Berlin tummeln sich hier täglich in Schichten vor Knuts Refugium und dokumentieren in akribischer Kleinarbeit sein Heranwachsen für das Internet. Sie machen sich Notizen und knipsen hunderte von Bildern pro Tag.
Abends, wenn der Zoo geschlossen hat, werden die schönsten Bilder in einem Internet-Forum veröffentlicht, angereichert mit Anekdoten über Knuts Tag. Knut beim Fressen, Knut beim Putzen, Knut beim Schlafen, Knut im Wasser, Knut im Dreck, Knut mit Spielzeug. "Seine Fans aus der ganzen Welt verfolgen auf unserer Seite seinen Tagesablauf", erzählt Webb, auch sie, wenn sie mal nicht im Zoo weilen kann. Doch das kommt fast nie vor. Seit 20 Jahren besitzt sie eine Dauerkarte für den Zoo. Ihre Mitstreiterinnen sind allesamt über 30, Hausfrauen und Mütter. Einige sind verwitwet, allein. Die Truppe kämpft um Knuts Verbleib in Berlin, eine heikle Angelegenheit. Knut gehört dem Tierpark Neumünster, von dem Knuts Vater Lars stammt. Anfang Mai kommt der Fall in Berlin sogar vor Gericht, weil Neumünster einen Teil der bisher rund sechs Millionen Euro Gewinn aus der Knut-Manie haben will.
Hintergrund
Eine 32-jährige Frau ist am Freitag in das Eisbärengehege des Berliner Zoos gesprungen und von einem Eisbären schwer verletzt worden. Bei dem Tier handelte es sich jedoch nicht um Knut. Dieser hielt sich in einem anderen Gehege auf. afp