Südsee-Insel droht im Meer zu versinken

Tarawa. Lange Sandstrände, Kokospalmen im Wind, kaum Autos - auf den ersten Blick erfüllt der schmale Pazifikstaat Kiribati alle Klischees eines Südseeparadieses. Der Schein trügt aber: Die mit Fäkalien verseuchten Strände stinken, Abfall türmt sich überall, Autowracks liegen an der Straße

 Neben dem Klimawandel hat der Pazifik-Inselstaat auch mit Arbeitslosigkeit, Überbevölkerung und Müll zu kämpfen. Foto: Oelrich/dpa

Neben dem Klimawandel hat der Pazifik-Inselstaat auch mit Arbeitslosigkeit, Überbevölkerung und Müll zu kämpfen. Foto: Oelrich/dpa

Tarawa. Lange Sandstrände, Kokospalmen im Wind, kaum Autos - auf den ersten Blick erfüllt der schmale Pazifikstaat Kiribati alle Klischees eines Südseeparadieses. Der Schein trügt aber: Die mit Fäkalien verseuchten Strände stinken, Abfall türmt sich überall, Autowracks liegen an der Straße. Die 30 Kilometer lange durch Dämme verbundene Inselkette Tarawa, die als Hauptstadt dient, ist überbevölkert, die Menschen sind bitterarm. Die Folgen des Klimawandels geben dem Land den Rest. Es gibt immer öfter unberechenbare Stürme. Erosion frisst das spärliche Land. Der Untergang ist vorprogrammiert."Der liebe Gott hat es nicht leicht für uns gemacht", sagt Präsident Anote Tong in bescheidener Untertreibung. Sein Land gehe unter, sagt er. Große Hoffnungen in die UN-Klimakonferenzen, deren nächste am 26. November in Katar startet, setzt er nicht. Mitte des Jahrhunderts, ist er überzeugt, dürfte seine Inselkette untergehen.

Präsident Tong ist einer der Wortführer in der Klimaschutzdebatte. "Die Länder, die es in den vergangenen Jahrzehnten zu Reichtum gebracht haben, haben eine Verpflichtung. Mit dem Klimawandel ist es wie mit dem Alter: wir wissen alle, dass es passiert, aber keiner will es wahrhaben." Sein Land braucht Geld zum Überleben, um die Küsten zu verstärken, um Schutzwälle zu bauen und um die Menschen auszubilden, damit sie in fremden Ländern Chancen haben. Aber Geld komme kaum, sagt er: "Regierungen haben kein Mitgefühl, sie haben Wahlen."

"Aumaiaki", die Trockenzeit von April bis September, kann neuerdings ziemlich nass werden, in der Regenzeit "Aumeang" ist es plötzlich wochenlang trocken. Stärkere Wellen als früher zerstören Schutzwälle am Strand. Palmen liegen entwurzelt im Wasser, weil sie keinen Halt mehr finden. Oder sie vertrocknen in früher nie gekannten langen Dürren. Dann fällt die Ernte von Kokosfleisch aus, der wichtigste Einnahmequelle. Durch die langen Dürren sinken die Süßwasserreserven.

Das Hauptgebiet Kiribatis sieht aus der Luft aus wie ein seitenverkehrtes "L". Der kürzere Strich ist Tarawa, die Hauptstadt. Von einer Endzeithysterie ist in Kiribati nichts zu spüren. "Die Leute merken, dass die Lage schwerer wird. Aber ihnen reinen Wein einzuschenken, würde sie nur in Depressionen stürzen", sagt der Präsident.

Das sei typisch Südsee, die Dinge hinzunehmen und in den Tag zu leben, sagen manche Experten, die das auf die Palme treibt. Keiner in der Regierung sei für Wasser- und Abwasserprobleme verantwortlich, schäumt die UN-Mitarbeiterin Catarina de Albuquerque, bei einem Besuch im Sommer. "Die Regierung ist zwar auf internationaler Ebene wortstark, aber zu Hause tut sich wenig", sagt sie. Der Klimawandel verschärft Probleme, mit denen kleine Inselstaaten wie Kiribati ohnehin kämpfen: zu viele Menschen, mangelnde Hygiene, keine Abwassersysteme oder Abfallentsorgung, keine Jobs.

Die Überbevölkerung: 1978 lebten auf der 30 Kilometer langen Inselkette 18 000 Menschen. Heute drängeln sich 52 000 Menschen in einem der dichtesten besiedelten Gebiete der Welt. Das sieht auch der Präsident. "Wir müssen dringend etwas tun", sagt der Vater von acht Kindern. Aber Verhütung ist ein Tabu-Thema: Die Kirche ist eine wichtige Gesellschaftssäule.

Die Hygiene: Traditionell nutzen die Menschen Strand und Büsche als Toilette. Kiribati hat eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten: 52 von 1000 Kindern sterben in den ersten Lebensjahren. Ein Viertel der Einwohner von Tarawa leide an Durchfall oder Ruhr.

Der Abfall: früher gab es Kokosschalen als Becher, Bananenblätter als Teller. Die organischen Abfälle hat das Meer weggespült. Dann kam Plastik und Aluminium.

Fehlende Jobs: Es gibt mangels Rohstoffen keine Industrie - das Land ist viel zu weit weg, als dass sich für Investoren hier eine Verarbeitungsfabrik lohnen würde. Selbst für eine nennenswerte eigene Fischfangflotte oder -verarbeitung fehlt Geld. Die Fischgründe leeren ausländische Flotten gegen eine geringe Lizenzgebühr. Als Zeichen für den Umweltschutz hat Kiribati 400 000 Quadratmeter Meer zur Schutzzone erklärt, aber kontrollieren kann die Regierung das nicht. Das einzige Patrouillenboot liegt meist im Hafen von Betio. Der Diesel ist zu teuer. Foto: Szenes/dpa

"Die reichen Länder

haben eine Verpflichtung"

Anote Tong,

Präsident Kiribatis