Strauss-Kahn vor Gericht

Paris. "DSK in Untersuchungshaft": Ein Artikel über die Vernehmung von Dominique Strauss-Kahn war gestern die Top-Meldung, auch bei der französischen Ausgabe der Online-Zeitung "Huffington Post"

 In der Limousine zum Verhör: Strauss-Kahn auf dem Weg ins Gericht in Lille. Foto: Warnand/dpa

In der Limousine zum Verhör: Strauss-Kahn auf dem Weg ins Gericht in Lille. Foto: Warnand/dpa

Paris. "DSK in Untersuchungshaft": Ein Artikel über die Vernehmung von Dominique Strauss-Kahn war gestern die Top-Meldung, auch bei der französischen Ausgabe der Online-Zeitung "Huffington Post". Deren neue Chefredakteurin Anne Sinclair, renommierte Journalistin und Strauss-Kahns Ehefrau, gab sich nicht die Blöße, die Nachricht des Tages zu übergehen - so unangenehm diese wohl für sie persönlich war, ging es doch erneut um die sexuellen Eskapaden ihres Mannes.Dessen Ruf ist ruiniert, seit das New Yorker Zimmermädchen Nafissatou Diallo den Ex-Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington und Ex-Hoffnungsträger der französischen Sozialisten im Mai 2011 der Vergewaltigung beschuldigte. Wurde die Anklage in den USA mangels Diallos Glaubwürdigkeit schließlich fallen gelassen, folgten weitere Vorwürfe der versuchten Vergewaltigung in Frankreich und Enthüllungen über Strauss-Kahns Teilnahme an freizügigen Sex-Partys. Er streitet sie nicht ab - aber das Problem ist nicht nur moralisch, sondern auch juristisch. Die Ermittler interessiert, ob er sich dabei strafbar gemacht hat. Und so fuhr der Mann, der noch vor einem knappen Jahr beste Chancen hatte, Frankreichs nächster Präsident zu werden, gestern in einer abgedunkelten Limousine bei der Polizei in Lille zum Verhör vor. Als Zeuge, dem auch eine Anklage wegen Veruntreuung und Beihilfe zu bandenmäßiger Zuhälterei droht. Der 62-Jährige selbst konnte seine Vernehmung nach eigener Aussage gar nicht erwarten, um endlich auf die "bösartigen Unterstellungen" zu antworten, die ihm in einer "medialen Lynchjustiz" gemacht worden seien.

Denn DSK, wie er in seiner Heimat heißt, ist nur eine Randfigur in der Affäre um das Luxushotel Carlton in Lille. Im Herbst flog ein Zuhälterring auf, der eine Reihe lokaler Größen ins Zwielicht bringt, darunter Manager des Carlton, ein Anwalt, ein Polizeichef und der ehemalige Chef einer Filiale des Baukonzerns Eiffage. Die Geschäftsleute sollen 2010 und 2011 Reisen mit weiblicher Begleitung nach Paris, New York oder Washington organisiert haben, um in Luxus-Etablissements freizügige Partys mit DSK zu feiern. Die Kosten von insgesamt 50 000 Euro rechneten sie über ihre Firmen ab.

Strauss-Kahn will weder gewusst haben, wer bezahlte, noch was das wahre Metier der mitgebrachten Frauen war - denn dann würde er eine Anklage riskieren. Prostitution ist in Frankreich nicht strafbar, wohl aber Zuhälterei und die Beihilfe dazu; und Veruntreuung sowieso. Er selbst sagt, er hielt ihre Dienste für gratis. "Wenn Ihnen jemand seine Freundin vorstellt, fragen Sie ihn nicht, ob sie Prostituierte ist", zitiert ihn sein Biograf Michel Taubmann. Während eine der befragten Frauen seine Ahnungslosigkeit für wahrscheinlich hält, hat eine andere erklärt, er müsse im Bilde gewesen sein. Man habe sie sogar daraufhin "gecastet", ob sie Strauss-Kahns Frauentyp entsprach. Die Ermittler fanden SMS von ihm, in denen er sich nach "Material" und "Mädchen" erkundigt.

Auch stellt sich die Frage, warum er sich so unbedarft einladen ließ. Pikanterweise fand der letzte New-York-Ausflug vom 11. bis 13. Mai 2011 statt - tags darauf wurde DSK wegen der Sex-Vorwürfe verhaftet. "Wenn Ihnen jemand seine Freundin vorstellt, fragen Sie ihn nicht, ob sie Prostituierte ist."

Dominique Strauss-Kahn

Ein paar Affären zu viel

Von SZ-MitarbeiterinBirgit Holzer

Dass sich ein Kreis aus Managern, Politikern und ranghohen Polizisten gesponserte Sex-Partys genehmigt, mag irritieren - doch ohne den prominenten Namen Dominique Strauss-Kahns würde die "Carlton-Affäre" um das Luxus-Hotel in Lille kaum interessieren. Nun aber staunt Frankreich, wen man da beinahe als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt und wohl auch gewählt hätte. Der Skandal legt das Ausmaß der Zügellosigkeit aller Beteiligten offen; aber auch der gedankenlosen Risikofreude des ehemaligen IWF-Chefs. Als charismatischer Politiker und brillanter Ökonom war Strauss-Kahn der größte Hoffnungsträger des Landes. Offenbar glaubte er, seine privaten Eskapaden störten seine Eignung weder für den Chefposten im Élysée-Palast noch beim IWF. Daneben wirken die Gründe, wegen denen gerade ein deutscher Präsident zurücktreten musste, kleinlich. Kahn hat derart an Bodenhaftung verloren, dass er nicht mehr vermittelbar ist. Es waren ein paar Sex-Affären zu viel.

Umzug Spiesen (3/4)

 Strauss-Kahn mit Ehefrau Anne Sinclair im Juli 2011. Foto: dpa

Strauss-Kahn mit Ehefrau Anne Sinclair im Juli 2011. Foto: dpa



Umzug Spiesen (4/4)

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