Abgestürzter Junge Mit jeder Minute zerrinnt die Hoffnung

Madrid · Seit Tagen läuft in Spanien die dramatische Suche nach einem Zweijährigen, der in einen tiefen Schacht stürzte. Für die Eltern ist es nicht der erste Schicksalsschlag.

Fernando Onega ist ein gestandener Journalist und hat schon viel gesehen. Doch auch er kämpft in einer Fernseh-Livesendung am Dienstagabend mit den Tränen. Die verzweifelte Suche nach einem Zweijährigen, der beim Spielen in einen mehr als 100 Meter tiefen und sehr engen Brunnenschacht gestürzt sein soll, löst in ganz Spanien Mitgefühl aus. Obwohl Bergungsteams seit Sonntagmittag an der Unfallstelle in Totalán in der Provinz Málaga sogar nachts pausenlos aktiv waren, gab es auch gestern – an Tag drei des Unglücks – zunächst weiter kein Lebenszeichen vom kleinen Julen. Helfer versuchten weiter unermüdlich, den Jungen in dem kleinen Schacht von nur 25 Zentimetern Durchmesser aufzuspüren, berichtete das spanische Fernsehen gestern Morgen.

Inzwischen haben die Einsatzkräfte „biologische“ Spuren des Zweijährigen gefunden. „Man hat ein paar Haare gefunden und DNA-Tests der Guardia Civil (Polizei) belegen, dass sie zu dem Kind gehören“, sagte der Präfekt der Region Andalusien, Alfonso Rodríguez Gómez, dem Sender Cadena Ser. Die Behörden werten dies als ersten Beweis dafür, dass der Junge in dem Bohrloch sein muss. Dennoch schwindet die Hoffnung, den Kleinen lebend zu bergen, unaufhaltsam. Der Bürgermeister von Totalán, Miguel Angel Escaño, sprach von einem Hoffnungsschimmer, der „jede Minute abnimmt“. Der Vater des verunglückten Julen, der arbeitslose Marktverkäufer José Rocio, sagte gestern: „Wir sehen ein wenig Licht.“ Seine Frau und er fühlten sich wie „tot“. Sie hofften aber auf einen Schutzengel, der ihnen ihr Kind lebend zurückbringe.

Die Polizei hatte noch am Montag erklärt, man habe „noch keinen physischen Beweis“ dafür, dass das Kind tatsächlich noch in dem Loch sei. Aufgrund der Angaben der Eltern, die das Kind in dem Schacht hätten weinen hören, schließe man aber andere Möglichkeiten – etwa, dass der Junge rausgeklettert sei und sich verlaufen habe – zunächst aus. „Ich habe mich auf die Öffnung gestürzt und er war nicht mehr da. Ich habe ihn weinen hören, aber bald habe ich ihn nicht mehr gehört“, hatte der Vater erklärt.

Gestern bedankte sich der Mann öffentlich bei den unermüdlichen Helfern der Rettungsaktion für seinen Sohn, nachdem er am Dienstag noch weinend die Behörden beschimpft hatte, nicht genügend Mittel für die Bergung des kleinen Julen zur Verfügung zu stellen.

Der Junge soll am Sonntag bei einem Ausflug mit seiner Familie in der Nähe des Ortes Totalán in das Loch gefallen sein, das im Dezember bei Wassererschließungsmaßnahmen gebohrt und nicht markiert worden war. Die fröhliche Landpartie wurde in dem hügeligen Waldgebiet plötzlich von verzweifelten Schreien beendet. Eine Tante habe den Sturz aus einiger Ferne gesehen und laut um Hilfe gerufen, berichteten Medien. Der Kleine soll beim Spielen mit anderen Kindern in den offenen Schacht gestürzt sein. Bei Kameraaufnahmen wurde in dem Schacht am Dienstag eine Tüte mit Süßigkeiten entdeckt, die der Junge bei sich gehabt hatte.

Der Bergungseinsatz in der hügeligen Gegend ist kompliziert. Versuche, den Vermissten mit zwei in den Schacht herabgelassenen Kameras zu orten, schlugen bislang fehl. Die Retter versuchen zurzeit, zu dem bestehenden Loch zwei Schächte zu bohren – einen parallel verlaufenden und einen schräg auf das Bohrloch zulaufenden, um den Jungen zu erreichen. Die Arbeiten würden voraussichtlich nicht vor dem heutigen Donnerstagabend abgeschlossen sein, hieß es gestern.

So unfassbar es klingt: Für die Eltern des Jungen ist es schon der zweite schreckliche Schicksalsschlag binnen zwei Jahren. Im Mai 2017 starb Julens älterer Bruder Oliver, damals drei Jahre alt, bei einem Strandspaziergang an Herzversagen. „Wir haben einen Engel, der uns helfen wird, so dass mein Sohn so schnell wie möglich dort herauskommt“, sagt der Vater.

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