„Snowzilla“ wütet über US-Ostküste

Washington · Weder Busse noch U-Bahnen fahren seit Freitag in Washington, denn Freitag und Samstag sind um die 60 Zentimeter Schnee gefallen. Und nicht nur das, auch die Regale in den Supermärkten sind fast leer.

Sonntagmorgen, der Morgen nach "Snowzilla". Der Blick nach draußen beruhigt ungemein. Die Straßenlaternen leuchten, es gibt also noch Strom, die Leitungen sind nicht gerissen. Was zu befürchten war, ist zum Glück ausgeblieben. Der Rest: halb so schlimm, egal wie dramatisch die Stimmen der Wetterreporter im Fernsehen jetzt klingen.

Ein Blizzard in Washington , das hat normalerweise zur Folge, dass irgendwann der Strom ausfällt. Gemessen am schlimmsten Fall war "Snowzilla", mit typisch amerikanischer Neigung zum Superlativ angekündigt als Sturm des Jahrhunderts, also nur ein Stürmchen. 1200 Haushalte mussten gestern in der Hauptstadtregion ohne Elektrizität auskommen. Eine Zahl, wie sie nach jedem leichten Sommergewitter gemeldet wird.

Dennoch ist der Sturm rekordverdächtig. Diesmal sind, von Freitagmittag bis Samstagnacht, um die 60 Zentimeter Schnee gefallen. Nur ein paar Zentimeter weniger als der Knickerbocker-Blizzard vom Januar 1922 mit 66 Zentimeter. Wobei die wichtigere Frage jenseits aller Rekordtabellen lautet, wie lange es dauert, bis sich die Stadt aus ihrer Lähmung befreit. Seit Freitagmittag fahren weder U-Bahnen noch Busse. Frühestens heute, orakelt die Bürgermeisterin Muriel Bowser, könne man daran denken, den Betrieb wiederaufzunehmen. Die breiten Magistralen zwischen Kapitol und Lincoln-Memorial werden zwar nach und nach geräumt, doch wann die ersten Schneepflüge in die Nebenstraßen vordringen, bleibt völlig ungewiss. Ebenso, wann sich die leeren Regale der Supermärkte wieder füllen. Cornflakes, Mineralwasser, Toastbrot, Taschenlampen, Kerzen - alles ausverkauft, seit sich die Leute gegen "Snowzilla" zu wappnen begannen.

Das Neue, Ermutigende für Washington ist, dass mit Bowser eine Frau im Chefsessel des Rathauses sitzt, die den stoischen Fatalismus ihrer Vorgänger so gar nicht zu teilen scheint. Bowser ist erst seit zwölf Monaten im Amt, und der Ton, den sie auf dem Höhepunkt des Blizzards anschlug, war erfreulich resolut. "Hey, es sind zu viele Leute auf den Straßen, sowohl im Geländewagen als auch zu Fuß. Bleiben Sie zu Hause, damit wir rasch räumen können!" Bleibt abzuwarten, ob den Worten auch Taten folgen. Rund 85 Millionen Menschen leben im Einzugsbereich dieses Blizzards. Über 11 000 Flüge wurden bis gestern gestrichen. New York und Baltimore untersagten es privaten Autofahrern unter Androhung von Strafe, sich ans Lenkrad zu setzen. Insgesamt sind bereits 18 Menschen durch Wintersturm "Jonas", der in den Medien "Snowzilla" genannt wird, ums Leben gekommen.

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