Sechs Jahre für Teufelsaustreibung

Frankfurt · Die Hauptangeklagte im Exorzismus-Prozess muss ins Gefängnis. Doch vom Mord-Vorwurf bleibt am Ende nichts übrig.

 Wegen tödlicher Teufelsaustreibung standen gestern fünf Koreaner vor Gericht – hier eine der Angeklagten. Foto: dpa

Wegen tödlicher Teufelsaustreibung standen gestern fünf Koreaner vor Gericht – hier eine der Angeklagten. Foto: dpa

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Eine Teufelsaustreibung mit tödlichen Folgen landet selten vor Gericht. Und so sorgte auch ein Exorzismus-Fall in Frankfurt für großes Aufsehen. Eine 41-Jährige starb dabei im Dezember 2015 in einem Hotelzimmer, durch die Hände ihrer südkoreanischen Verwandten. Mord aus Grausamkeit - davon gehen die Ermittler aus. Am Ende des monatelangen Prozesses ergibt sich für das Frankfurter Landgericht aber doch ein etwas anderes Bild. Ein "tragisches Geschehen" - so fasst es der Vorsitzende Richter der Jugendstrafkammer, Ulrich Erlbruch, gestern in einer Vorbemerkung zum Urteil zusammen.

Er zeichnet darin ein Bild von Tätern, die irgendwie auch Opfer sind. Der Vorsitzende Richter nimmt sich dann die teils reißerische Berichterstattung vor. "Das Bild der Angeklagten als grausame Folterer hat sich als unrichtig erwiesen", betont er. Die fünf angeklagten Koreaner seien keine kaltblütigen Killer, sondern seien aufgrund ihrer "spirituellen Überzeugung" sicher gewesen, dem Opfer zu helfen und einen Dämonen zu vertreiben.

Seit Oktober 2016 hatte das Landgericht versucht, die Geschehnisse des 5. Dezember 2015 in Zimmer 433 eines großen Frankfurter Hotels aufzuarbeiten. Dort war die 41-Jährige in den frühen Morgenstunden aggressiv geworden, sie schlug um sich und führte Selbstgespräche - so schildern es zumindest ihre Verwandten vor Gericht. "Ich bin der Teufel, ich bringe Euch alle um", soll die Frau gerufen haben. Daraufhin schritt die Familie zur Teufelsaustreibung. Die Frau erstickte.

Die Verwandten riefen einen koreanischen Geistlichen, der seit Jahrzehnten in Deutschland lebt und die Familie einige Monate zuvor kennengelernt hatte. Ihm erzählten die Familienmitglieder von einer "religiösen Ohnmacht", wie der Pfarrer vor Gericht aussagte. "Ohnmächtige haben aber eine andere Hautfarbe." Der Hoteldirektor habe dann die Polizei und den Notarzt gerufen.

Besonders tragisch: Der 16-jährige Sohn war dabei, als seine Mutter starb. Der junge Mann trägt Handschellen, als er gestern zur Urteilsverkündung in den Gerichtssaal geführt wird, hält einen Ordner dicht vor das Gesicht gepresst. Sein Anwalt legt den Arm schützend um den Jugendlichen.

Mit Blick auf den Jungen, der hinter dicken Brillengläsern vor sich hin starrt, spricht Richter Erlbruch von der glaubhaften Reue gerade der jugendlichen und heranwachsenden Angeklagten. Sie hätten nicht nur unter den Folgen der Tat zu leiden, sondern "auch unter dem Verlust eines geliebten Menschen". Keiner der Tatbeteiligten habe den Tod der 41-Jährigen gewollt, setzt er hinzu. Der Sohn des Opfers und drei andere Verwandte im Alter zwischen 16 und 22 Jahren kommen mit Bewährungsstrafen davon.

Bereits bei ihrem Plädoyer Ende der vergangenen Woche war die Staatsanwaltschaft vom Mordvorwurf abgerückt, auch wenn sie der 44-jährigen Hauptangeklagten vorhielt, sie habe sich angemaßt, "über Leben und Tod anderer zu entscheiden". Die Frau, eine gelernte Krankenschwester, habe als einzige Erwachsene in der Gruppe das Geschehen gesteuert, heißt es dann auch in der Urteilsbegründung. Sie erhält sechs Jahre Haft wegen schwerer Körperverletzung mit Todesfolge.

Die südkoreanische Familie war den Ermittlungen zufolge erst rund sechs Wochen vor der Tat ins Rhein-Main-Gebiet gekommen, sie mietete zunächst ein Haus im Taunus. In das Hotel sollen sie später gezogen sein, weil einige Familienmitglieder befürchteten, dass sich in dem Mietshaus Dämonen aufhielten. Ein psychiatrischer Gutachter hatte in dem Prozess gesagt, der Glaube an Geister, Dämonen oder den Teufel und deren Austreibung sei vor dem Hintergrund des Kulturkreises der aus Korea stammenden Angeklagten "nicht per se ungewöhnlich oder abstrus".

Zum Thema:

Was bedeutet Exorzismus? Unter Exorzismus wird die rituelle Vertreibung böser Mächte oder Geister aus Menschen, Tieren oder Gegenständen verstanden. In der katholischen Kirche war der Exorzismus im Mittelalter weit verbreitet. Zum Exorzismus (griechisch: exorkismós = das Hinausbeschwören) gehören das Besprengen mit Weihwasser, die Anrufung Gottes und das Handauflegen. Nach katholischen Kirchenvorschriften darf die "Teufelsaustreibung" nur nach Genehmigung des Ortsbischofs durch einen Priester vorgenommen werden.

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