Schwuler Schützenkönig unter Beschuss

Münster. Man erkennt ihn an den Pfeilen in seiner Brust: Sankt Sebastianus - einen Heiligen für jene Gläubige, die es im Alltag schwer haben. In der Zeit der mittelalterlichen Pest wurde er zum Patron der Schützen, die damals noch die Toten wegschafften und die Plünderer verjagten. Er ist außerdem Beschützer der Polizisten, Soldaten und der Sterbenden

 Schützenkönig Dirk Winter (rechts) mit Freund Oliver Hermsdorf. Foto: dpa

Schützenkönig Dirk Winter (rechts) mit Freund Oliver Hermsdorf. Foto: dpa

Münster. Man erkennt ihn an den Pfeilen in seiner Brust: Sankt Sebastianus - einen Heiligen für jene Gläubige, die es im Alltag schwer haben. In der Zeit der mittelalterlichen Pest wurde er zum Patron der Schützen, die damals noch die Toten wegschafften und die Plünderer verjagten. Er ist außerdem Beschützer der Polizisten, Soldaten und der Sterbenden. Auch fromme schwule Menschen haben Sebastian in den vergangenen Jahrzehnten als Schutzheiligen entdeckt.Katholiken, Schützen und Schwule - in diesem Spannungsfeld ist nun ein Glaubenskrieg entbrannt: Konservative Schützen wollen verhindern, dass ein bekennend schwuler Schütze bei ihrem wichtigsten deutschen Wettbewerb mitmacht. Es geht um Dirk Winter, einen Getränkehändler aus Münster. Der 44-Jährige hat im Juni den Vogel abgeschossen. Er ist schwul, daraus macht er kein Geheimnis. Wer glaubt, ein homosexueller König sei in deutschen Schützenvereinen nicht denkbar, der irrt. Allein in Nordrhein-Westfalen gab es schon mindestens zwei. Der aktuelle Eklat begann erst, als Dirk Winter eine Schützenkönigin bestimmen musste. Seine Freunde im Verein hätten ihn ermutigt, seinen langjährigen Partner zur Königin zu machen. Viele Schützen stimmten zu. So begann der Ärger: Erst ging es nur um das Protokoll, ob Winter und sein Freund in einer Reihe marschieren dürfen. Jetzt rückt eine andere Frage in den Vordergrund. Winter hat sich am vergangenen Wochenende für den wichtigsten Wettbewerb der deutschen Schützen qualifiziert: das Bundeskönigsschießen im ostwestfälischen Harsewinkel Mitte September. Die Dachorganisation überlegt Winter zu disqualifizieren. Denn der habe vor dem erfolgreichen Schuss gegen Regeln verstoßen. "Er hatte vorher in einem Fragebogen unterschrieben, dass er sich christlichen Werten verpflichtet fühlt und nach dem Motto "Für Glaube, Sitte und Heimat" lebt", sagt Rolf Nieborg, Sprecher vom Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften. "Das ist doch wie beim lateinamerikanischen Tanz." Dazu gehörten auch Mann und Frau.

 Schützenkönig Dirk Winter (rechts) mit Freund Oliver Hermsdorf. Foto: dpa

Schützenkönig Dirk Winter (rechts) mit Freund Oliver Hermsdorf. Foto: dpa

So ein Vergleich wirkt befremdlich. Deutschlands Lesben- und Schwulenverband läuft Sturm, wirft dem Dachverband und den christlichen Würdenträgern im Vorstand "Scheinheiligkeit und Realitätsverleugnung" vor. Von "homophober Einstellung" spricht die Staatssekretärin in Nordrhein-Westfalens Emanzipationsministerium, Marlis Bredehorst, sogar. Bundesweit löst der Streit Empörung aus. Wer in der Debatte inzwischen am wenigsten sagt, ist Dirk Winter. Der 44-Jähriger mag sich auf Anfrage zunächst nicht mehr äußern. "Ich will erst abwarten, ob man mich disqualifiziert."

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