Schweres Unwetter auf Mallorca „Ich bin um mein Leben geschwommen“

Palma · Ein schweres Unwetter am Dienstagabend auf Mallorca richtete große Schäden an und forderte mehrere Tote. Einige werden noch vermisst.

 Verzweifelte Menschen irren zwei Tage nach dem Unwetter auf Mallorca durch die überfluteten Straßen.

Verzweifelte Menschen irren zwei Tage nach dem Unwetter auf Mallorca durch die überfluteten Straßen.

Foto: AP/Francisco Ubilla

Ein verheerendes Unwetter hat auf Mallorca mindestens zehn Menschen getötet. Wassermassen verwandelten mancherorts Straßen in reißende Flüsse. Unter den Todesopfern seien zwei britische Urlauber, teilte ein Sprecher der Polizeieinheit Guardia Civil auf der spanischen Insel gestern mit. Sechs Menschen würden nach dem schweren Unwetter vom Dienstagabend noch vermisst und gesucht, hieß es.

Betroffen war in erster Linie der Osten der Insel. Innerhalb von nur zwei Stunden stürzten dort Dienstagabend nach jüngsten Angaben des Wetterdienstes 233 Liter Wasser pro Quadtratmeter vom Himmel. Zum Vergleich: Im gesamten vergangenen Jahr sind in Deutschland im Schnitt 850 Liter heruntergegangen.

Dramatische Szenen ereigneten sich am Dienstag vor allem in der 8000-Einwohner-Gemeinde Sant Llorenç des Cardassar rund 60 Kilometer östlich der Hauptstadt Palma, wo es mehrere Tote gab. Zahlreiche Autos wurden von den Fluten mitgerissen und Häuser unter Wasser gesetzt, wie auf Bildern und Videoaufnahmen von Medien und des Wetterdienstes der Balearen zu sehen ist. Bewohner versuchten verzweifelt, das Wasser mit Eimern aus ihren Häusern zu schippen.

„Ich bin um mein Leben geschwommen“, sagte im spanischen Fernsehen ein junger Mann, dem die Panik noch in den Augen stand. Rentner Manuel Torescussa wurde von den Wassermassen in der Nähe von Sant Llorenç in seinem Auto erwischt. „Ich konnte gerade noch aus einem Fenster ins Freie klettern und musste dann 500 Meter schwimmen, fast meine gesamte Kleidung blieb dabei an einem Metallzaun hängen“, erzählte er der Zeitung „Diario de Mallorca“. Javier Martínez klagte, sein Haus sei voller Wasser, Schlamm und Müll. „Ich habe alles verloren. Ich habe nur den Pyjama, den ich trage.“ Die stellvertretende Bürgermeisterin von Sant Llorenç, Antonia Bauza, sprach von einer „katastrophalen Lage“. „Das Wasser war nicht unter Kontrolle zu bringen, es war dramatisch. Man muss es erlebt haben, um zu wissen, wie schlimm es war.“

Sieben Landstraßen waren am Mittwochnachmittag nach Angaben der Behörden noch unbefahrbar, einige Ortschaften nach Medienberichten ohne Strom- und Wasserversorgung und von der Außenwelt weitgehend abgeschnitten. Überall entwurzelte Bäume, heruntergerissene Stromleitungen und Verkehrsschilder, zerstörte Häuser und Felder. Wasser und Schlamm, umgekippte und aufeinandergetürmte Fahrzeuge. Ein TV-Reporter vor Ort sprach von „gespenstischen Skulpturen“. „Es war eine harte Nacht, aber ich denke, dass der Tag noch heftiger wird“, zitierte die Zeitung „El Mundo“ eine Lokalpolitikerin. Ministerpräsident Pedro Sánchez wollte noch gestern auf die Insel fliegen, um sich ein Bild von der Lage zu machen, wie die Regierung mitteilte.

Die zwei Briten starben den Angaben zufolge in S‘Illot in dem Ort Son Servera an der Ostküste, als sie im Taxi von den Fluten überrascht wurden. Der Taxifahrer werde vermisst. In Sant Llorenç starb der frühere Artá-Bürgermeister Rafel Gili (71). Eine Frau und ein 83-Jähriger wurden in ihren Häusern in Sant Llorenç vom Wasser überrascht. Ihre Leichen wurden in der Nacht geborgen. Weitere Tote seien in S‘Illot, Artà und Sant Llorenç gefunden worden, erklärte der Notdienst der Balearen auf Twitter. Die Rettungskräfte suchten nach weiteren Opfern. Deutsche waren nach den vorliegenden Erkenntnissen nicht unter den Toten und Vermissten.

Ein Feuerwehrmann, der in der Nacht Einsätze in Sant Llorenç des Cardassar und Artà fuhr, erzählte, dass die Menschen auf Bäumen und Dächern saßen. „Der Zugang mit dem Feuerwehrwagen war schwierig, so dass wir meist mehrere Versuche unternehmen mussten, um an die Menschen heranzukommen.“ Dutzende Häuser mussten evakuiert werden. Rund 200 Menschen verbrachten die Nacht in Sportanlagen der Stadt Manacor, unter anderem in einer Anlage des aus Mallorca stammenden Tennis-Weltstars Rafael Nadal, „Trauriger Tag“, twitterte Nadal, der seine Hilfe anbot. Unter den Menschen, die in Sicherheit gebracht werden mussten, gab es sehr viele Rentner und Eltern mit Babys und kleinen Kindern.

Die Rettungsteams waren am Mittwoch mit rund 400 Hilfskräften im Einsatz. Oberste Priorität hatte zunächst die Suche nach Vermissten. Neben Dutzenden Fahrzeugen waren auch vier Hubschrauber, ein Flugzeug und ein Schiff eingesetzt. Es wird befürchtet, dass das eine oder andere Fahrzeug mit Insassen ins Meer gespült worden sein könnte.

Unwetter mit Überschwemmungen gab es in Spanien auch in Katalonien im Nordosten sowie in der Provinz Málaga im Süden des Landes. Auf Mallorca hatte es schon seit Montag sehr heftig geregnet, ortsweise auch gehagelt. Durch das Unwetter kam es laut Medien zeitweise auf dem Flughafen Palma zu Verzögerungen. In der Hauptstadt und auch am „Ballermann“ östlich von Palma war die Lage aber weitgehend normal. Der spanische Wetterdienst gab unterdessen die zweithöchste Unwetterwarnung für die Nachbarinseln Ibiza und Formentera und einen Teil von Katalonien aus, darunter auch Barcelona.

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