Schweigen auf Russisch im Holzklotz-Prozess

Oldenburg. Der Mann, der im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Oldenburg hinter Sicherheitsglas Platz nimmt, wirkt gefasst. Die Fragen des Vorsitzenden Richters Sebastian Bührmann nach seinem Namen, Alter und Familienstand bejaht der mit schwarzem Nadelstreifenanzug gekleidete Nikolai H. (Foto: dpa) nur leise - und wird zum Prozessauftakt am Dienstag auch mehr nicht sagen

Oldenburg. Der Mann, der im Schwurgerichtssaal des Landgerichts Oldenburg hinter Sicherheitsglas Platz nimmt, wirkt gefasst. Die Fragen des Vorsitzenden Richters Sebastian Bührmann nach seinem Namen, Alter und Familienstand bejaht der mit schwarzem Nadelstreifenanzug gekleidete Nikolai H. (Foto: dpa) nur leise - und wird zum Prozessauftakt am Dienstag auch mehr nicht sagen. Heimtückischer und mit gemeingefährlichen Mitteln begangener Mord, so lautet der Vorwurf gegen Nikolai H.. Nach Überzeugung der Anklage hat er am Ostersonntag einen 5,9 Kilo schweren Klotz aus Weidenholz von einer Brücke über die A 29 bei Oldenburg auf ein herannahendes Auto geworfen. Dies sei in der Absicht geschehen, einen Verkehrsunfall zu verursachen, wobei der Angeklagte "mögliche tödliche Verletzungsfolgen" in Kauf genommen habe, sagt Staatsanwältin Roswitha Gudehus. Das Geschoss traf die 33-jährige Beifahrerin mit solcher Wucht, dass sie vor den Augen ihrer Familie noch am Unfallort verstarb.

Die vorgetragenen Vorwürfe hat H. allerdings womöglich gar nicht in Gänze verstanden, folgt man seinen Verteidigern. Unter Berufung auf angeblich unzureichende Sprachkenntnisse des aus Kasachstan stammenden Deutschen beantragen sie einen Russisch-Dolmetscher und eine Anklage-Übersetzung. In ihrer Begründung zeichnen die Anwälte zunächst den Lebenslauf ihres Mandanten nach: eines drogensüchtigen Sozialhilfeempfängers, der den Holzklotzwurf nach seiner Festnahme im Mai zunächst unter Verweis auf "allgemeinen Frust" gestanden und dies später widerrufen hat. Demnach siedelte Nikolai H. 1994 mit seiner Familie von Kasachstan nach Deutschland über. Zunächst besuchte der heute 30-Jährige die Hauptschule im Nordseebad Tossens, dann in Bitburg. Eine Ausbildung machte er nicht, sondern arbeitete als Hilfsarbeiter, da er wegen "seiner intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht vermittelbar" gewesen sei. Seine Eltern warfen ihn raus, als er begann, harte Drogen zu nehmen. Der Angeklagte spreche auch nach 14 Jahren in Deutschland mit Familie und Freunden russisch.

Die Kammer lehnt die Anträge der Verteidiger ab. H. habe vor seiner Festnahme in einem TV-Interview als angeblicher Zeuge auf Deutsch Rede und Antwort gestanden, sagt der Richter. Nicolai H. wird also die kommenden 16 Verhandlungstage ohne Dolmetscher auskommen müssen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Mit einem Dokumentarfilm über schlimme Zustände in türkischen Waisenhäusern hat die Ex-Frau des britischen Prinzen Andrew, Sarah Ferguson (49, Foto: dpa), die Regierung in Ankara verärgert. Die für Soziales zuständige Staatsministerin Nimet Cubukcu warf d
Mit einem Dokumentarfilm über schlimme Zustände in türkischen Waisenhäusern hat die Ex-Frau des britischen Prinzen Andrew, Sarah Ferguson (49, Foto: dpa), die Regierung in Ankara verärgert. Die für Soziales zuständige Staatsministerin Nimet Cubukcu warf d