Schreie und Hilferufe im Dunkeln

Johannesburg/Berlin. In einem staubigen Zelt auf der Insel Sansibar drängen sich verzweifelte Angehörige. Sie beugen sich über in Decken gewickelte und verschnürte Leichen, die Toten der Fähre "MV Spice Islander". Bündel mit den Habseligkeiten der Opfer sollen deren Identifizierung erleichtern

Johannesburg/Berlin. In einem staubigen Zelt auf der Insel Sansibar drängen sich verzweifelte Angehörige. Sie beugen sich über in Decken gewickelte und verschnürte Leichen, die Toten der Fähre "MV Spice Islander". Bündel mit den Habseligkeiten der Opfer sollen deren Identifizierung erleichtern. Nach offiziellen Angaben starben am Samstag mehr als 200 Menschen beim Untergang des tansanischen Schiffes, Dutzende wurden noch vermisst.Die Fähre war am Freitagabend aus dem Hafen von Sansibars Hauptinsel Unguja vor der Küste Tansanias ausgelaufen. Nach etwa 30 Kilometern auf offener See begann das Schiff zu sinken, berichteten Überlebende. "Ich merkte, dass die Bewegung des Schiffs etwas eigenartig war. Es war wie ein Zick-Zack-Kurs oder wie ein Taumeln", sagte der 15-jährige Yahya Hussein. Die Fähre sank kurz nach Mitternacht in einem Gebiet mit starker Strömung. Hussein überlebte dank eines Bretts, an das er sich klammern konnte, bis ihn die Rettungsmannschaften aus dem Wasser fischten.

Auf dem Schiff brach Panik aus. Überlebende sprachen von Schreien und Hilferufen im Dunkeln. "Es war furchtbar", sagte die siebenjährige Aisha Mohammed. Die Dunkelheit behinderte auch die Rettungsarbeiten. Erst bei Sonnenaufgang, etwa fünf Stunden nach der Katastrophe, konnten sich viele Retter auf den Weg machen. 579 Menschen seien gerettet worden, sagte Sansibars Staatsminister Mohammed Aboud dem US-Nachrichtensender CNN.

Fähre war überfüllt

Ersten Untersuchungsergebnissen zufolge war vermutlich die Besatzung für die Tragödie verantwortlich. Sicherheitsvorschriften wurden ignoriert, sagte der Chef der Rettungskräfte, Hussein Mohamed, der tansanischen Tageszeitung "The Citizen". "Die Fähre war überfüllt und mit Fracht überladen. Sie begann am Heck zu sinken, dort drang Wasser ein". Zeugen berichteten, dass viele Passagiere sich weigerten, an Bord des bereits völlig überfüllten Schiffes zu gehen. Diese Vorsicht hat ihnen vermutlich das Leben gerettet. Tansanische Medien schätzten, dass bis zu 800 Menschen an Bord des für etwa 650 Passagiere zugelassenen Schiffs waren. Die Opferzahl kann möglicherweise noch steigen. Noch immer trieben Leichen im Wasser, sagten Rot-Kreuz Helfer. Aufgrund der starken Strömung können manche der Toten vielleicht nie geborgen werden, die Retter fürchten, dass auch im Wrack der "Spice Islander" noch Leichen sein könnten.

Ob auch ausländische Touristen an Bord der Unglücksfähre waren, blieb zunächst offen. Deutsche sollen nicht betroffen sein, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Die "Gewürzinsel" Sansibar ist ein beliebtes Urlaubsziel.

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