Oranisierte Kriminalität Schlag gegen die größte Mafia der Welt

Rom · Die italienische Polizei hat hunderte mutmaßliche Mafiosi festgenommen. Ein Volltreffer gegen die allseits gefürchtete ’Ndrangheta. Doch wie konnte die Verbrecherorganisation eigentlich so mächtig werden?

  Hier ein Standbild aus einer Videoaufnahme der Polizeiaktion gegen die kalabrische Mafia-Organisation ’Ndrangheta. An der Operation waren rund 2500 Polizisten beteiligt .

Hier ein Standbild aus einer Videoaufnahme der Polizeiaktion gegen die kalabrische Mafia-Organisation ’Ndrangheta. An der Operation waren rund 2500 Polizisten beteiligt .

Foto: dpa/-

Es sind Politiker, Unternehmer und sogar ein Polizist darunter. Und es ist ein Schlag, der die größte Mafia der Welt ins Mark trifft. Bei einer der größten Razzien gegen die kalabrische ’Ndrangheta sind der Polizei in Italien Hunderte Verdächtige ins Netz gegangen. Es seien Haftbefehle gegen 334 Menschen ergangen, so die Polizei. Die Ermittlungen bezogen sich auch auf Deutschland, die Schweiz und Bulgarien.

An der Aktion waren rund 2500 Polizisten beteiligt. Güter im Wert von 15 Millionen Euro seien beschlagnahmt worden, hieß es in der Mitteilung der Carabinieri. In Deutschland laufe die Suche nach einem Verdächtigen, der dort auf der Durchreise sei, sagte ein Polizeisprecher. Festnahmen habe es in Deutschland zunächst nicht gegeben.

Es sei die größte Aktion seit einer Welle von Festnahmen in den 80ern, sagte der leitende kalabrische Staatsanwalt Nicola Gratteri. Damals wurden beim sogenannten „Maxi-Prozess“ mehr als 400 Mafiosi angeklagt, ein Großteil wurde verurteilt. Als Rache brachte die Mafia die Staatsanwälte Giovanni Falcone und Paolo Borsellino um.

Dieses Mal wanderten 260 Verdächtige in Untersuchungshaft, 70 bekamen Hausarrest, vier dürfen nicht mehr an ihren Wohnort zurück. Der Vorsitzende der Anti-Mafia-Kommission im Parlament, Nicola Morra, sprach von einem „gigantischen Schritt“ im Kampf gegen das organisierte Verbrechen.

Die Aktion namens „Scott-Rinascita“ konzentrierte sich auf die kalabrische Gegend Vibo Valentina – erstreckte sich aber bis in die Regionen Lombardei, Piemont, Venetien, Ligurien, Toskana, Sizilien, Latium und Emilia-Romagna. Den Verdächtigen wird unter anderem Erpressung, Mord, Drogenhandel, Geldwäsche und Zugehörigkeit zu einer mafiösen Organisation vorgeworfen.

Die ‚Ndrangheta gilt als weltweit mächtigste Mafiaorganisation und kontrolliert von Dörfern in Süditalien aus große Teile des globalen Drogenhandels. Ein Experte der italienischen Anti-Mafia-Polizei DIA, der aus Sicherheitsgründen unerkannt bleiben will, erzählt vom Umfang der Einnahmen der Organisation. Die ’Ndrangheta verdiene nach Recherchen des italienischen Eurispes-Instituts mit dem Drogenschmuggel 300 bis 350 Millionen Euro pro Woche. Begonnen hatte die ’Ndrangheta vor Jahrzehnten mit Entführungen zur Erpressung von Lösegeld. Laut einem Artikel in der „Italian Review of Criminology“ wurden in einem Zeitraum von etwa 30 Jahren von 1969 an fast 700 Menschen gekidnappt. Allein 1977 gab es 75 Fälle.

Die Gangster aus Kalabrien waren damals führend: Laut dem DIA-Experten landeten von den geschätzt 800 Milliarden Lira (heute etwa 413 Millionen Euro) Lösegeld, das italienische Kriminelle mit Entführungen verdienten, 65 bis 70 Prozent bei der ’Ndrangheta.

Der größte Teil wurde in den Kokainschmuggel investiert, sagt Staatsanwalt Gratteri. Während die Cosa Nostra ein „Beinahe-Monopol“ auf den Heroin-Markt hatte, sah die ’Ndrangheta in Kokain ihr „Siegerpferd“, so Gratteri.

Die ’Ndrangheta infiltrierte ebenfalls den Immobilien- und den öffentlichen Bausektor. Mit Einnahmen aus der Entführung von John Paul Getty III. bauten sie etwa ein Wohnviertel an der kalabrischen Küste namens „Getty Village“.

Der Milliardärs-Enkel war 1973 als Jugendlicher in Rom entführt und fünf Monate in den Bergen Kalabriens gefangen gehalten worden. Sein rechtes Ohr wurde abgeschnitten, um seine Familie dazu zu bewegen, 1,7 Milliarden Lira für seine Freilassung zu zahlen.

  Entführungsopfer der ’Ndrangheta: Milliardärs-Enkel John Paul Getty III (vorne rechts).

Entführungsopfer der ’Ndrangheta: Milliardärs-Enkel John Paul Getty III (vorne rechts).

Foto: dpa/Ian Nicholson

Für die Brutalität der ’Ndrangheta gibt es viele Belege. Ihre Schreckensherrschaft ist noch lange nicht beendet – seit diesem Donnerstag nur um einen beachtlichen Teil geschwächt.

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