Tatort-Kommissarin „Ich neige nicht zu Panik“

Köln · Die Schauspielerin und Ärztin spricht über die Corona-Krise, eindimensionale Frauenbilder und den neuen „Tatort“.

 Maria Furtwängler ist „Tatort“-Kommissarin und setzt sich für Frauenrechte ein.

Maria Furtwängler ist „Tatort“-Kommissarin und setzt sich für Frauenrechte ein.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Maria Furtwängler ist erkältet. Kein Covid-19, sagt sie am Telefon, sondern ein ganz normaler Husten. Die 53 Jahre alte Schauspielerin nimmt es gelassen, lässt sich genauso wenig aus der Ruhe bringen wie die von ihr gespielte „Tatort“-Kommissarin Charlotte Lindholm (nächste Folge, „Krieg im Kopf“, am Sonntag). Das Gespräch ist ihr wichtig, auch, weil es um die Ungleichbehandlung von Frauen im Film geht. Mit ihrer Stiftung hilft sie Frauen weltweit.

Sie sind nicht nur Schauspielerin, sondern auch Medizinerin. Beeinflusst das Ihren Umgang mit Corona, gehen Sie da sachlicher ran, weniger angstbesetzt?

FURTWÄNGLER Ich neige da nicht zu einer großen Panik, ehrlich gesagt. Ich staune eher darüber, was gerade passiert und welche unglaublichen Kreise das zieht, und natürlich über die schnellen Beschneidungen unserer Freiheitsrechte. Ich sehe mit Sorge, dass es in populistischen Ländern wie Ungarn dazu führt, dass jemand seinen autoritären Führungsstil ausbaut. Es ist schon erstaunlich, was wir innerhalb weniger Wochen für ein Virus bereit sind zu tun – und wie wenig wir bereit waren, uns zu ändern, wenn es um die meiner Ansicht nach nicht minder relevante und bedrohliche Klimakrise geht.

Glauben Sie, unser Gesundheitssystem ist gut genug aufgestellt, um die Krise zu meistern?

FURTWÄNGLER Also wer bin ich, um das besser beurteilen zu können als jemand, der in diesen Dingen drin steckt? Da maße ich mir kein Urteil an. Ganz grundsätzlich habe ich durchaus Vertrauen in unser Gesundheitssystem. Vor allem sind wir durchgehend krankenversichert, und das ist natürlich eine ganz andere Situation als in Amerika oder in den Entwicklungsländern. Wenn das Virus etwa in den Slums von Kenia zuschlägt, hat das nochmal eine ganz andere Dimension. Und das wird passieren.

In den USA steigen die Fallzahlen ja bereits bedenklich...

FURTWÄNGLER Dort sind die Menschen nicht versichert, viele sind zudem abhängig vom nächsten Gehaltsscheck, haben null Rücklagen. Bei uns bilden sich die Schlangen, weil alle Klopapier kaufen, und dort bilden sich die Schlangen vor den Waffengeschäften. Ich habe gerade noch mit amerikanischen Freunden aus dem Musikgeschäft telefoniert, die sich auch Waffen gekauft haben. Die sagten, wenn sich alle Idioten hier bewaffnen, dann ist es besser, wenn wir auch eine Waffe besitzen.

Wie wirkt sich die Krise für Sie persönlich aus? Wurden Dreharbeiten abgesagt?

FURTWÄNGLER Ja, ich war in den Dreharbeiten für „Felix Krull“, einen Kinofilm mit Detlev Buck, eine schöne Rolle, und die sind abgebrochen worden, weil ein Kleindarsteller am Set Covid-19 hatte. Der nächste Dreh im Sommer ist alles andere als gewiss. Man kann natürlich Stoffe entwickeln, aber als Schauspieler ist da erstmal Schicht im Schacht. Auch wenn das, verglichen mit echter existentieller Bedrohung natürlich Luxusprobleme sind.

Ihr nächster „Tatort“ ist schon lange abgedreht. Auch dort geht es um eine unsichtbare Bedrohung, nämlich um den Versuch des Militärs, Gedanken zu manipulieren. Wie realistisch sind solche Visionen?

FURTWÄNGLER Ich war auch erst skeptisch, habe mich aber überzeugen lassen. Natürlich ist das nicht alles wahrhaftig, aber es ist plausibel. Beim „Tatort“ können wir uns ja eine gewisse fiktionale Überhöhung leisten. Es ist nicht total an den Haaren herbeigezogen. Es gibt ja bereits viele entsprechende Experimente.

Machen Ihnen solche Entwicklungen auf militärischer Ebene Sorgen?

FURTWÄNGLER Was die Sache so unheimlich macht, ist das Gefühl, dass in irgendwelchen mysteriösen Laboren Dinge ausprobiert oder praktiziert werden, und wir nicht darüber informiert sind. Insgesamt wäre es wichtig, die Bevölkerung viel besser aufzuklären, was Künstliche Intelligenz angeht, was das ist und was möglich ist.

Der „Tatort“ mit Charlotte Lindholm hat zwei präsente Frauenfiguren. Dass das im Film nicht selbstverständlich ist, hat eine Studie gezeigt, die Sie mit Ihrer Stiftung MaLisa initiiert haben: Männer sind im Film stärker vertreten. Bewegt sich da mittlerweile was?

FURTWÄNGLER Nach meinem Eindruck auf jeden Fall. Aber genau wissen wir das, wenn neue Zahlen vorliegen. Doch ich denke, es ist in den Köpfen angekommen. Es geht ja nicht darum, dass ein Film sklavisch alle Geschlechter berücksichtigt, sondern darum, stereotype Erzählweisen aufzubrechen und eine größere Vielfalt darzustellen, was Alter, Geschlecht und Migrationshintergrund angeht. Ich glaube, da haben wir als Medienschaffende auch eine große Verantwortung.

Es gibt also mehr Drehbücher mit starken Frauenfiguren...

FURTWÄNGLER Es geht ja gar nicht so sehr um starke Frauenfiguren, sondern um ambivalente Figuren. Unsere Studie hat gezeigt: Das gelingt uns bei Frauen viel schlechter. Sie sind oft eindimensional gezeichnet.

Allerdings finden sich in Krimiserien viele dominante Frauen...

FURTWÄNGLER Das stimmt. Wir haben auch untersucht, wie Frauen im Film, aber auch in der Information vorkommen im Vergleich zur Realität – als Ärztinnen, Anwältinnen, Richterinnen. Und wir haben festgestellt, dass Frauen in all diesen Berufsbereichen in der Fiktion, aber auch in der Information, deutlich seltener vorkommen als in der Realität. Die große Ausnahme ist der Polizeidienst, der in der Fiktion deutlich häufiger mit Frauen besetzt ist als in der Wirklichkeit. Das ist die einzige Ausnahme.

Sie sind aber optimistisch, dass sich die Situation insgesamt verbessert, weil diskutiert wird.

FURTWÄNGLER Genau. Und weil wir dies am Leben erhalten und wir Filme im Fernsehen, Kino und bei Streamingdiensten weiterhin entsprechend auswerten. Aber grundsätzlich sind die Beharrungstendenzen bei uns Menschen groß, und ich glaube, man muss da extrem dranbleiben. Ich weiß von mir selbst ja auch, dass ich keine Spur besser bin als andere. Ich weiß, dass meine Vorurteile darüber, was Frauen können und nicht können sollten, unterschwellig noch in mir wirken. Und mich an Dingen hindern, ich etwa Frauen manchmal weniger zuhöre, wenn ich denke, die hat so eine piepsige Stimme. Ich hänge da selber total drin.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort