Rätsel um Massengräber in Mexiko

Mexiko-Stadt · Fast drei Wochen nach dem Verschwinden von 43 Studenten in Mexiko gibt es noch keine Hinweise auf ihr Schicksal. Neue Festnahmen zeigen allerdings: Die örtliche Polizei ist offenbar tief in das Verbrechen verstrickt.

Das Drama um die 43 vermissten Studenten im südmexikanischen Bundesstaat Guerrero hat eine unerwartete Wendung genommen. Generalstaatsanwalt Jesús Murillo Karam gab bekannt, dass die verbrannten 28 Leichen, die aus fünf Massengräbern geborgen wurden, nicht die der vermissten jungen Leute seien. "Wir wissen jetzt, dass die DNA der Leichname nicht mit der DNA der Verschwundenen übereinstimmt." Die Analyse habe länger gedauert, weil die Opfer bis zur Unkenntlichkeit verbrannt waren.

Es würden aber noch die sterblichen Überreste von Menschen aus weiteren vier Massengräbern untersucht, betonte Murillo. Weitere wilde Grabstätten mit zum Teil mehreren Leichen werden fast täglich in der Nähe von Iguala entdeckt, so auch am Dienstag. Angehörige der Verschwundenen hatten sich auf die Suche gemacht und den Graben mit den Leichen entdeckt. Seit dem Verschwinden der Studenten am 26. September sind in der Region, nur drei Autostunden von Mexiko-Stadt entfernt, neun Massengräber gefunden worden. Mindestens 40 Opfer werden darin vermutet.

Die Worte von Staatsanwalt Murillo werfen mehr Fragen auf, als sie beantworten: Wer sind die Toten aus den fünf Massengräbern? Vermutlich andere Opfer des Drogenkriegs im Bundesstaat Guerrero. Wie viele Massengräber finden sich noch? Und vor allem: Wo sind die Studenten? Dass sie fast drei Wochen nach ihrem Verschwinden noch leben, gilt als sehr unwahrscheinlich. In den vergangenen zwei Jahren sind in Mexiko tausende Menschen entführt worden, ohne dass jemals wieder einer von ihnen aufgetaucht wäre. Offiziellen Angaben zufolge werden in dem Land 13 000 Menschen vermisst. Die Dunkelziffer dürfte doppelt so hoch liegen.

Die extra nach Iguala entsandten Soldaten und Bundespolizisten nahmen am Dienstag weitere 14 Gemeinde-Polizisten fest, ergänzte Staatsanwalt Murillo. Sie gehörten der Polizei von Cocula an, einem Nachbarort von Iguala und haben zugegeben, am Verschwinden der Studenten beteiligt gewesen zu sein. Sie hätten einige von ihnen nach deren Festnahme an die lokale Verbrecherbande der "Guerreros Unidos", der "Vereinten Krieger", übergeben.

Die vermissten Lehramtsstudenten der linken Hochschule Ayotzinapa waren am 26. September nach einer Demonstration von Polizisten und Drogenbandenmitgliedern angegriffen und beschossen worden, als sie gerade Iguala wieder verlassen wollten. Anschließend nahm die Polizei 43 Studenten fest und brachte sie auf Polizeireviere der Stadt. Von dort wurden sie dann an Mitglieder der "Guerreros Unidos" übergeben. Was dann geschah, ist unklar. Aber vermutlich wurden die 18 bis 23 Jahre alten Studierenden ermordet, verbrannt und verscharrt.

Warum die Studenten ihren Protest mit dem Leben bezahlten, ist wie so vieles in Mexikos bizarrem Drogenkrieg unklar. Vermutlich bestand ihr Verbrechen darin, die Hoheit der Organisierten Banden in Guerrero herausgefordert zu haben. Und die örtliche Polizei diente dabei als Erfüllungsgehilfe der Banden. Im Bundesstaat Guerrero im Allgemeinen und in Iguala im Besonderen sind Polizei und Politik eng mit der organisierten Drogenkriminalität verfilzt.

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