Prozessbeginn nach spektakulärem Diebstahl Vier Münzräuber auf der Anklagebank

Berlin · Nach dem spektakulären Diebstahl einer 100-Kilo-Goldmünze müssen sich die Angeklagten vor Gericht verantworten.

  Die 100 Kilo schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ wurde 2017 aus einem Berliner Museum gestohlen.

Die 100 Kilo schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ wurde 2017 aus einem Berliner Museum gestohlen.

Foto: dpa/Marcel Mettelsiefen

Die vier jungen Männer halten sich Aktenmappen und Zeitschriften vor die Gesichter, als sie den großen Saal im Berliner Landgericht betreten. Sie müssen als Angeklagte an drei Dutzend Kameraleuten und Fotografen vorbei und wollen auf keinen Fall erkannt werden. Das ließen ihre Anwälte schon vorher in aller Deutlichkeit verkünden.

Es ist der erste Tag des Prozesses um den spektakulären Diebstahl einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum auf der Berliner Museumsinsel im März 2017. Das Interesse ist nicht nur wegen des verschwundenen und vermutlich längst eingeschmolzenen Goldes im Wert von 3,75 Millionen Euro so groß. Drei der Angeklagten mit deutscher Staatsangehörigkeit gehören außerdem zu einem bekannten arabischstämmigen Berliner Familien-Clan, der in der Vergangenheit immer wieder ins Visier der Polizei geriet.

Die Angeklagten: ein 24-Jähriger und sein 20-jähriger Bruder, ihr 22-jähriger Cousin sowie ein 20-jähriger Bekannter. Zu den Vorwürfen schweigen alle mit ernsten Blicken. Der vierte Angeklagte soll ein Schulfreund des jüngeren Bruders sein. 2017 war er Wachmann im Bode-Museum und soll die entscheidenden Tipps gegeben haben. Alle vier haben jeweils zwei Verteidiger dabei, zum Teil aus bekannten Kanzleien.

Die Staatsanwälte werfen den drei Mitgliedern der Großfamilie vor, dass sie in der Nacht zum 27. März 2017 durch das Fenster eines Umkleideraums in das Museum eingestiegen seien. Sie sollen eine Vitrine zertrümmert haben und die schwere Goldplatte in Münzform, genannt „Big Maple Leaf“, mit einem Rollbrett zum Fenster gefahren haben. Über die hochgelegenen Gleise der Berliner S-Bahn sollen sie die Beute mit einer Schubkarre abtransportiert und in einen Park abgeseilt haben.

Direkt nach Verlesung der Anklage geht die Verteidigung in die Offensive. Der Anwalt des ältesten Angeklagten betont, die umfangreichen Ermittlungen der Polizei hätten keinen „einzigen durchgreifenden Beweis“ ergeben. Trotz Sonderkommission, Telefonüberwachung, Funkzellenabfragen, 30 Durchsuchungen und Spürhunden seien die angeblichen Beweise „dürftig“ geblieben.

Die Staatsanwaltschaft stütze sich nur auf Hinweise von Informanten der Polizei und auf ein Gutachten zu Videoaufnahmen aus Überwachungskameras, die drei Männer, aber keine Gesichter zeigten. Ein Verteidiger des damaligen Wachmanns erklärt, die Ermittlungen seien einseitig geführt worden: „Indizien wurden als Tatsachen dargestellt.“ Die Polizei habe entlastende Erkenntnisse ignoriert.

Als erster Zeuge schildert ein Kriminalkommissar die Untersuchung der Museumsräume am Morgen nach dem Diebstahl. Die Verteidiger haken immer wieder nach bei Details zu dem aufgebrochenen Fenster, zur Dicke von Schrauben und Bolzen, Schleifspuren auf dem Boden und Sicherheitstüren. Die Richterin lässt Gebäudepläne und Dutzende Fotos diskutieren, um dem mysteriösen Verschwinden der Goldmünze auf den Grund zu kommen.

Die Befragung des damaligen Sicherheitschefs des Museums wird erst im Februar stattfinden. Dabei wird es auch um die Frage gehen, warum das Aufbrechen des Fensters keinen Alarm auslöste und warum das Zerstören der Vitrine von keinem Wachmann gehört wurde.

Weil drei Angeklagte zur Tatzeit jünger als 21 Jahre alt waren, wird der Prozess vor einer Jugendkammer verhandelt. Schwerer Diebstahl kann theoretisch mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden. Urteile in dieser Höhe sind aber selten.

Ob der Raub der fast vier Millionen Euro teuren „Big Maple Leaf“ so hoch bestraft wird? Das ist noch nicht bekannt. Ein Urteil in dem spektakulären Fall, der Stoff für Hollywood liefern könnte, wird erst in einigen Monaten erwartet.

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