Würth-Entführung Drei Millionen für den behinderten Sohn

Gießen · Mit perfiden Methoden soll ein 48-Jähriger 2015 die Milliardärsfamilie Würth erpresst haben. Seit gestern steht er vor Gericht.

 In einem Wald bei Würzburg wurde der Sohn des Schrauben-Milliardärs Würth aus Baden-Württemberg im Juni 2015 gefunden – lebend. Ob der 48-Jährige mutmaßliche Entführer Mittäter hatte, ist noch unklar.

In einem Wald bei Würzburg wurde der Sohn des Schrauben-Milliardärs Würth aus Baden-Württemberg im Juni 2015 gefunden – lebend. Ob der 48-Jährige mutmaßliche Entführer Mittäter hatte, ist noch unklar.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Der Angeklagte im Prozess um die Entführung des behinderten Sohnes von Milliardär Reinhold Würth spricht leise und mit Akzent. Viel sagt der 48-Jährige nicht zu Beginn der Verhandlung gestern vor dem Landgericht Gießen, macht ein paar Angaben zu seiner Person. Im Verlauf des Prozesses wird seine Stimme noch eine wichtige Rolle spielen: Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Anklage vor allem auf die Analyse eines Telefon-Mitschnitts eines Mannes, der im Juni 2015 drei Millionen Euro Lösegeld für den Entführten forderte. Das war der Angeklagte, sind die Ermittler überzeugt.

„Der Fall ist absolut außergewöhnlich“, sagt der Sprecher der Staatsanwalt, Thomas Hauburger, nach dem kurzen ersten Verhandlungstag. Zum einen, weil der Verdacht gegen den 48-Jährigen „primär“ auf der Stimmanalyse fuße. Das sei für die Justiz ein „Novum“. Zum anderen wegen des glücklichen Ausgangs der Entführung. Der damals 50 Jahre alte Markus Würth wurde zwar unterkühlt und durchnässt an einen Baum gekettet in einem Wald bei Würzburg gefunden – ansonsten aber unversehrt. „Wir kennen andere Entführungen, die oft verbunden sind mit massiver Gewalt bis hin zu Tötungsdelikten. Das ist hier glücklicherweise nicht geschehen.“

Die Anklage wirft dem 48-Jährigen erpresserischen Menschenraub vor. Er habe die Entführung von Markus Würth aus einer integrativen Wohngemeinschaft im osthessischen Schlitz zusammen mit Komplizen lange geplant und durchgeführt. Der oder die Mittäter sollen den aufgrund seiner Behinderung „vertrauensseligen“ Mann mitgenommen haben. Als Motiv für die Tat vermuten die Ermittler Geldprobleme. Ob es Mittäter gab, ist bislang unklar. Die Ermittler gehen aber davon aus. Sicher sind sie, dass der Angeklagte die Kommunikation mit der Familie Würth allein abwickelte.

Am Telefon soll er sich als „Dr. Hassan“ gemeldet und vorgegeben haben, der Sohn liege im Krankenhaus. Dann habe er von der Entführung berichtet und drei Millionen Euro gefordert. Die Übergabe scheiterte kurz darauf allerdings, offenbar wegen Verzögerungen und unklaren Absprachen. Nach der Panne habe der Angeklagte aber verraten, wo der Entführte, versorgt mit einer Wasserflasche, ausharren musste.

Die Stimme des Kidnappers analysierten unter anderem Wissenschaftler der Uni Marburg. Sie arbeiteten Besonderheiten etwa zur Herkunft des Sprechers heraus und wo dieser Deutsch gelernt haben könnte. Aus Sicht der Ermittler passen die Erkenntnisse zu dem aus Serbien stammenden Angeklagten, der in Offenbach lebte. Der entscheidende Hinweis auf den Angeklagten kam am Ende von einer Zeugin, die sich den Telefon-Mitschnitt bei einer Polizei-Hotline angehört hatte.

 Steht in Gießen vor Gericht: der 48-jährige Angeklagte.

Steht in Gießen vor Gericht: der 48-jährige Angeklagte.

Foto: dpa/Arne Dedert

Nach seiner Festnahme im März bestritt der Angeklagte die Tat. Ob er vor Gericht aussagen wird, ist der Verteidigung zufolge noch nicht entschieden. Der Prozess wird fortgesetzt – die Suche nach den möglichen Komplizen ebenfalls.

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