Polnische Dörfer versinken
Warschau. Die zweite Flutwelle der Weichsel verschärft von Stunde zu Stunde das Hochwasserdrama in Polen. Zahlreiche Dammbrüche und gefährliche Erdrutsche trieben gestern Tausende Menschen in die Flucht. Hunderte Häuser standen unter Wasser, Ackerfelder waren überflutet
Warschau. Die zweite Flutwelle der Weichsel verschärft von Stunde zu Stunde das Hochwasserdrama in Polen. Zahlreiche Dammbrüche und gefährliche Erdrutsche trieben gestern Tausende Menschen in die Flucht. Hunderte Häuser standen unter Wasser, Ackerfelder waren überflutet.
Der angeschwollene Fluss durchbrach in der Nacht zum Dienstag an mehreren Stellen Deiche südlich von Warschau und richtete erneut enorme Schäden an. In den Überschwemmungsgebieten leiden Menschen seit mehr als drei Wochen unter den Folgen - die erste Flutwelle hatte bereits Ende Mai große Landstriche verwüstet. In Janowiec bei Pulawy flutete das Wasser durch einen 100 Meter langen Riss in dem Damm. Überschwemmt wurden drei Ortschaften mit 120 Häusern auf einem Gebiet von rund 1000 Hektar. "Niemand rechnete damit, dass der Deich ausgerechnet an dieser Stelle nachgibt", sagte ein Feuerwehrsprecher. 170 Menschen mussten schnellstens in Sicherheit gebracht werden.
In der Gemeine Wilkow auf dem gegenüberliegenden Weichsel-Ufer spitzte sich die Situation noch weiter zu, da ein Nebenfluss die aufgeweichten Dämme durchbrach. "Das ist ein totales Drama", sagte Gemeindevorsteher Grzegorz Tarasinski. Seit der ersten Überflutung vor anderthalb Wochen stehen hier mehrere Ortschaften unter Wasser. Das sei eine Katastrophe für diese Region, die von der Landwirtschaft lebe, sagte ein Wirtschaftsexperte.
Mehrere Dörfer bedroht
Auch im weiter südlich gelegenen Ostrow gab am Morgen ein Deich nach. Mehrere Dörfer seien bedroht, hieß es aus dem Krisenstab. "Wir hatten keine Chance, das Wasser zu stoppen, der Strom war zu stark", sagte ein Sprecher. Hochwasseralarm galt weiterhin in 23 Gemeinden an dem Strom. 3600 Soldaten mit acht Hubschraubern unterstützten rund um die Uhr die Feuerwehr beim Kampf gegen die Fluten.
Der Scheitelpunkt der Weichsel wird in Warschau heute erwartet. Die Flutwelle soll dann mit 7,80 Metern den Höchststand der vergangenen drei Wochen erreichen. In Teilen der Stadt wurden bereits Schulen und Kindergärten geschlossen. Eine wichtige Nord-Süd-Straßenverbindung wurde gesperrt. In den Überschwemmungsgebieten im Süden Polens wächst mit jedem Tag die Gefahr der Erdrutsche. Wegen Einsturzgefahr mussten unter anderem in der Gemeinde Chelmiec bei Nowy Sacz 46 Menschen Häuser räumen. In letzter Zeit sei ein Dutzend Erdrutschstellen aktiv geworden, sagte eine Bezirkssprecherin in Krakau.
Der polnische Innenminister Jerzy Miller wies Appelle um eine Ausrufung des Notstands in seinem Land zurück. Die Dämme würden so nicht standfester und der Geldbeutel für die Flutopfer nicht größer, sagte er. Am 20. Juni soll in Polen ein neues Staatsoberhaupt gewählt werden. Um den Menschen eine Stimmabgabe zu ermöglichen, sollen in Überschwemmungsgebieten Wahlzelte aufgestellt werden. dpa