Pariser Nahverkehr steht vor dem Kollaps

Paris. Menschen stehen dicht aneinander gepresst: Willkommen in der am meisten genutzten S-Bahn Europas, der RER A im Großraum Paris. Nichts geht mehr auf der 76 Kilometer langen Strecke, die von Eurodisney im Osten über die französische Hauptstadt nach Saint-Germain-en-Laye, Poissy und Cergy im Westen führt

Paris. Menschen stehen dicht aneinander gepresst: Willkommen in der am meisten genutzten S-Bahn Europas, der RER A im Großraum Paris. Nichts geht mehr auf der 76 Kilometer langen Strecke, die von Eurodisney im Osten über die französische Hauptstadt nach Saint-Germain-en-Laye, Poissy und Cergy im Westen führt. Nachdem Fahrgäste den Aufstand probten und mit einer Unterschriftenaktion Druck machten, hat Staatspräsident Sarkozy Hilfe versprochen. Die Situation habe sich seit drei Jahren so verschlechtert, dass man nicht mehr planen könne, wie viel Zeit man morgens auf dem Weg zur Arbeit braucht, klagt Yves Boutry von der Vereinigung der Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs in Paris. "Die Zwischenfälle nehmen zu. Während der Stoßzeiten wird es schwierig", sagt er. Schon wegen Kleinigkeiten komme es zu Verspätungen von bis zu 45 Minuten. Die Linie A, mit bis zu 1,1 Millionen Fahrgästen täglich eine der am stärksten frequentierten S-Bahnen weltweit, ist kein Einzelfall im Pariser Nahverkehrssystem. Auch andere RER- und Metro-Strecken sind total überlastet und stehen kurz vor dem Kollaps. So beträgt die Auslastung der U-Bahn-Linie 13 zwischen bestimmten Haltestellen 116 Prozent. Sie brauche für den Weg zur Arbeit inzwischen doppelt so viel Zeit wie noch vor ein paar Jahren, sagt Chantal Cournut-Lelong. "Jeden zweiten Tag gibt es auf der Linie 13 einen Zwischenfall, jeden dritten Tag eine schwere Panne." Die Waggons seien oft so überfüllt, dass er gar nicht reinkomme, berichtet ein anderer Fahrgast. "Irgendwann versucht man es dann doch, drängelt, schubst und erobert sich ein Plätzchen, ist aber einpfercht wie eine Ölsardine." Die Situation könnte sich sogar verschlechtern, fürchten Experten. Seit 2000 sind die Fahrgastzahlen im Pariser Nahverkehr um durchschnittlich drei bis fünf Prozent pro Jahr gestiegen. Allein die Metro kam im vergangenen Jahr auf 1,6 Milliarden Passagiere. Ein Grund für den Zuwachs ist die Politik der Stadt Paris, die versucht, den Autoverkehr einzuschränken. Der hohe Ölpreis dürfte jetzt noch mehr Franzosen zum Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel bewegen. Die Proteste der Fahrgäste haben Wirkung gezeigt. Sarkozy versprach diese Woche, der Staat, dem der Pariser Nahverkehrsbetreiber RATP gehört, werde 250 bis 300 Millionen Euro in die Modernisierung der RER A stecken, die Region Ile de France weitere 250 Millionen. Mit dem Geld sollen zunächst doppelstöckige Waggons angeschafft werden. Die Staatsbahn SNCF, die die S-Bahnen im Großraum Paris zusammen mit der RATP betreibt, will zudem 100 Millionen Euro in die RER D investieren, um die Verspätungen bis 2009 um ein Drittel zu senken. Die Nutzung der 160 Kilometer langen S-Bahnlinie ist in den vergangenen acht Jahren um 40 Prozent gestiegen. Wie der Service der Metro-Linie 13 verbessert werden soll, ist dagegen noch unklar. Die geplante Verringerung der Wartezeit zwischen zwei Bahnen von 100 auf 95 Sekunden dürfte nach Ansicht von Experten nicht reichen. Die RATP erwägt die Verlängerung der teilweise parallel zur 13 verlaufenden Linie 14. "Jeden zweiten Tag gibt es einen Zwischenfall, jeden dritten Tag eine schwere Panne." Chantal Cournut-Lelong, Fahrgast

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