Opfer in Bangladesch warten auf Geld

Dhaka · Viele Opfer des Textilfabrik-Einsturzes vor einem Jahr in Bangladesch haben bis heute keine Entschädigung bekommen. Politiker und Gewerkschaften fordern nun die Textilbranche auf, rasch zu zahlen.

Dort, wo einst Tausende Nähmaschinen ratterten, ist es nun totenstill. Seit genau einem Jahr ist das Gebäude Rana Plaza in Bangladesch verschwunden - und mit ihm die mehr als 1100 Menschen, die beim Zusammensturz des achtstöckigen Gebäudes ihr Leben ließen. Zur Erinnerung an die Toten kamen gestern Tausende Menschen zur Unglücksstelle in einem Vorort von Dhaka: Freunde und Kollegen, Mütter und Väter, Brüder und Schwestern. Gemeinsam erhoben sie ihre Hände zum Himmel und standen zum stummen Gebet für ihre Geliebten zusammen. Von den Fabriken um sie herum wehten schwarze Fahnen.

Am Tag den Unglücks vor einem Jahr wollten viele Näherinnen und Zuschneider, Bügler und Knopfannäher das Gebäude gar nicht betreten. Denn es hatte bereits am Vortag Risse bekommen. "Aber es ist schwer vorstellbar, wie die Arbeiter das am Morgen alleine mit den Fabrikbesitzern aushandeln sollen", sagt Henrik Maihack, Repräsentant der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Bangladesch. Nicht ein einziger der Arbeiter im Rana-Plaza-Gebäude sei in einer Gewerkschaft organisiert gewesen, die mit einer stärkeren Stimme hätten sprechen können.

Seit dem Unglück wurden die Vorschriften für Gewerkschaften vereinfacht, mehr als 140 Betriebsgewerkschaften haben sich registrieren können. Das sei zwar positiv - aber noch immer viel zu wenig, findet Sultan Ahmed vom Bangladesch-Institut für Arbeitswissenschaften. "Selbst in guten Fabriken, wo auf Feuer- und Sicherheitsstandards geachtet wird, können die Arbeiter meist noch nicht vernünftig mit dem Management reden", sagt er.

Noch aber kämpfen viele auf sich alleine gestellt. Viele kommen zur Unglückstelle, weil sie noch überhaupt keine Entschädigung bekommen haben. Sulekha Begum und ihr Mann Abdur Rashid etwa sagen, sie stehen auf keiner der Opferlisten, weswegen sie kein Geld erhielten. Zum Jahrestag kamen sie aus dem 200 Kilometer entfernten Distrikt Pabna zurück zur Unglücksstelle.

Politiker und Gewerkschafter fordern die Textilbranche auf, die zugesagten Hilfen für den Entschädigungsfonds rasch einzuzahlen. "Noch immer warten Opfer und deren Angehörige auf Entschädigungszahlungen - auch von deutschen Firmen", kritisierte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) am Donnerstag in Berlin. Nach Angaben der Verwalter sind in den Treuhandfonds erst elf von 29 Millionen Euro eingezahlt worden. Der scheidende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, kündigte sein persönliches Eingreifen an. Wenn die Kompensationszahlungen der deutschen Textilbetriebe nicht bis Freitag eingingen, werde er die säumigen Unternehmen anschreiben und die Briefe veröffentlichen. "Wir werden da keine Ruhe geben", sagte er dem Bayerischen Rundfunk.

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