Ötzi wird zum Museums-Star

Vor 20 Jahren wurde in Südtirol eine Leiche entdeckt, die im ewigen Eis konserviert war. Seither ranken sich um die Ötzi getaufte Mumie viele Fragen. In einem Münchner Museum können Besucher nun erfahren, was Forscher über den Eismenschen herausgefunden haben und über eine Webcam einen Blick auf den Leichnam werfen.

München. Er war auf der Flucht. Tagelang lief er kreuz und quer durch die Berge, ehe er in den Ötztaler Alpen von hinten von einem Pfeil getroffen wurde und binnen Minuten verblutete. Ötzi, der "Mann aus dem Eis", lebte vor rund 5000 Jahren und ist so gut untersucht wie kaum ein Mordopfer der Neuzeit.

Trotzdem gibt er bis heute Rätsel auf. Über 20 Jahre nach seiner Entdeckung am Tisenjoch hoffen Wissenschaftler auf neue Erkenntnisse über sein Leben - und damit über das Leben der Menschen seiner Zeit. Derzeit werden Blutspuren an seinem Fellmantel untersucht - und sein Mageninhalt. 2010 war Ötzi kurzzeitig aufgetaut worden. 60 Wissenschaftler arbeiteten im Akkord an der Mumie. Sie fanden unter anderem einen Fettklumpen im Magen.

"Es gibt eine Idee, dass es Käse sein könnte", sagte die Direktorin des Südtiroler Archäologiemuseums Bozen, Angelika Fleckinger, gestern vor der Eröffnung der Ausstellung "Ötzi 2.0" in der Archäologischen Staatssammlung München. Sollte sich das bewahrheiten, wäre das eine kleine Sensation: "Das wäre der älteste Käse in der Menschheitsgeschichte." Weiteren Aufschluss über seinen Tod könnten Blutspuren am Mantel ergeben. Sollte fremdes menschliches Blut dabei sein, könnte das bedeuten, dass es einen Kampf gab. Ergebnisse werden im Laufe dieses Jahres erwartet.

Ötzi wurde am 19. September 1991 auf 3210 Meter Höhe im Eis entdeckt. "Er reißt ein Fenster in die Vergangenheit auf", sagte der Direktor der Münchner Staatssammlung, Rupert Gebhard. Anders als ägyptische Mumien, die ohne Organe und mit Chemikalien mumifiziert wurden, konservierte der Gletscher Ötzi mitsamt seinem Alltag.

Er war 1,60 groß, wog 50 Kilogramm und hatte längere Zeit zuvor Steinbock, Getreide und Gemüse gegessen. Er litt an Rückenschmerzen, Gelenk-Arthrose, verkalkten Blutgefäßen, Karies und Parodontose, haben Wissenschaftler herausgefunden. Tätowierungen am Rücken und Sprunggelenk waren kein Schmuck, sondern Folge von Behandlungen seiner Verschleißerkrankungen: Die Haut sei geritzt und mit Holzkohle und Kräutern eingerieben worden, um den Schmerz zu lindern, sagte Fleckinger. "Das sind spannende Belege für das medizinische Wissen, das die Menschen damals hatten."

In der Ausstellung in München - geöffnet von diesem Freitag bis 31. August - können Besucher auf einem Tablett-Computer mit riesigem Bildschirm ein digitales Abbild Ötzis selbst "sezieren." Dort lassen sich Knochenbau, Gewebe oder Haut anklicken und Körperteile vergrößert anschauen.

Zudem gibt es ein zugängliches Ötzi-Artefakt. Die echte Mumie in ihrer Kühlkammer können Besucher über eine Live-Webcam sehen. Die Leiche wird unter enormem Aufwand bei minus sechs Grad erhalten. Ebenfalls zu sehen gibt es das Ahornblatt, in dem Ötzi vermutlich Glut für wärmendes Feuer in einem Birkenrindengefäß bei sich trug. Gezeigt werden auch Parasiten, die Ötzi und seine Zeitgenossen plagten: Flöhe, Läuse und Würmer.

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