Österreich hofft auf Wurst-Effekt

Wien · An vielen Standorten könnte der ORF den Grand Prix 2015 in Österreich veranstalten. Schon jetzt konkurrieren die Städte um die Ausrichtung, darunter Wien, Innsbruck und Graz. Nur eine Stadt will definitiv nicht.

Ein Wort des Fußball-Kaisers an die Pop-Kaiserin rundete das europaweite Toleranz-Wochenende ab. "Ich bewerte nicht das Äußerliche oder die geschlechtlichen Neigungen. Ich bewerte, was sie kann. Das hat sie hervorragend gemacht", sagt Franz Beckenbauer über den Triumph von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest (ESC) in Kopenhagen gestern in Bad Ischl. Die Wahlheimat des sogenannten Kaisers - er lebt seit 32 Jahren in der Alpenrepublik - ist dank Travestie-Künstler Tom Neuwirth in den Medien.

Ein weiterer Wettbewerb begann gestern: Wer in Österreich wird der Gastgeber, wenn der ESC 2015 vom ORF ausgerichtet wird? Es winken ein medialer Jackpot und eine Imagepolitur, für Region und Republik.

Kosten scheinen in diesem Moment kaum eine Kommune abzuschrecken, die meint, über das Potenzial als Standort zu verfügen. "Wir bieten alles, was der Song Contest braucht", sagt der Geschäftsführer des Freizeitparks Schwarzlsee bei Graz. Auf dem 140 Hektar großen Areal mit Badesee stünden zwei Hallen für 18 000 und 2500 Menschen. Auch die Stadt Graz, in der Tom Neuwirth in die Modeschule gegangen ist, warf ihren Hut in den Ring. "Es wäre naheliegend, einmal nicht Wien in die Auslage zu stellen", meint ein Stadtsprecher.

Tirols Landeshauptstadt Innsbruck zeigt ebenfalls Interesse. Als Ausrichter von zwei Olympischen Spielen verfüge man über exzellente Erfahrung, heißt es vonseiten der Kommune.

In Wien reiben sich in der Vorfreude auf den möglichen Zuschlag die Tourismus-Verantwortlichen die Hände. Schon vorher wolle die Stadt den Song Contest im "Gay-Lesbian-Marketing" mitnehmen, sagt der Leiter des Wien Tourismus, Norbert Kettner. Beim Werben um Homosexuelle sei Wien seit Jahren aktiv: "Niemand kann sagen, dass wir erst jetzt auf einen fahrenden Zug aufspringen. Da haben wir bereits eine große Glaubwürdigkeit." Allein: Sowohl das Bundesland als auch die Mozart-Stadt Salzburg winken ab. Das Ganze sei zu teuer, sagt Ministerpräsident Wilfried Haslauer (ÖVP). "Außerdem passt diese Veranstaltung nicht in das weltweit einzigartige Kulturprofil des Landes, das sich an den Festspielen oder anderen qualitativ hochwertigen Kunstformen wie dem Jazzfestival Saalfelden orientiert."

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HintergrundDer Sieg von Conchita Wurst beim Eurovision Song Contest stößt in der russisch-orthodoxen Kirche auf Kritik. Der Erfolg des österreichischen Transvestiten sei ein Zeichen für die "kulturelle Legitimierung der Sünde in der modernen Welt", sagte ein Sprecher des Moskauer Patriarchats gestern. Dies sei ein weiterer Schritt, das christliche Erbe in der europäischen Kultur abzustreifen. Bereits am Sonntag hatten russische Politiker empört auf den Ausgang des Song Contest reagiert. epd

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