Klimaschutz Im Schlaf das Klima retten

Genf/Berlin · Die Deutsche Bahn ist 2016 aus dem Geschäft mit den Schlafwagen ausgestiegen. Aber kommt es nun durch den Klimawandel und die sogenannte „Flugscham“ zu einer Renaissance des Nachtzugs?

 Reisende an einem Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) im Bahnhof von Hamburg Altona.

Reisende an einem Nachtzug der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) im Bahnhof von Hamburg Altona.

Foto: dpa/Bodo Marks

Gemächlich durch die Nacht ruckeln, auf einer Pritsche Bahnhöfe vorbeiziehen lassen, morgens am Zielort ankommen: Eine Fahrt mit dem Schlaf- oder Liegewagen der Bahn verbinden viele Menschen mit alten Zeiten. Doch angesichts von Klimawandel und „Flugscham“ ist das Thema Nachtzüge wieder brandaktuell.

Greta Thunberg lässt grüßen. Die junge schwedische Umwelt-Aktivistin fuhr im Januar 65 Stunden mit dem Zug ins schweizerische Davos und zurück, um den beim Weltwirtschaftsforum versammelten Bankbossen und Industriemanagern in puncto Klima die Leviten zu lesen. Seither vermittelt gerade auch die „Fridays for Future“-Bewegung vielen das Gefühl, sich fürs Fliegen schämen zu müssen.

Sollte das Angebot mit Schlaf- und Liegewagen als Alternative also nicht ausgebaut werden? „Das Nachtzuggeschäft hat Zukunft“, sagt der Sprecher der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), Bernhard Rieder. Auch die Schweizerischen Bundesbahnen (SBB) denken daran, das 2009 eingestellte Geschäft mit klassischen Nachtzügen wiederzubeleben.

Anders die Deutsche Bahn: Sie bietet aus wirtschaftlichen Gründen seit 2016 keine eigenen Schlaf- und Liegewagen mehr an. „Ein eigenes Angebot mit klassischen Schlaf- und Liegewagen ist aktuell nicht geplant“, sagt eine Sprecherin in Berlin. Die Bahn wolle nachts aber mehr ICE- und Intercity-Züge mit Sitzwagen auf die Schiene bringen. Und sie unterstütze die ÖBB, die Schlaf- und Liegewagen in Deutschland anbieten, etwa mit Triebfahrzeugführern und teils mit Loks.

„Wir sind auf vielen internationalen Verbindungen genauso schnell wie das Flugzeug, vor allem, wenn man die An- und Abreise zum Flughafen und die dortigen Abfertigungsprozesse und Sicherheitskontrollen einrechnet“, sagte die Bahn-Sprecherin und nannte etwa die Verbindungen zwischen München und Wien, Hamburg und Kopenhagen oder Frankfurt am Main und Paris.

In der Schweiz machen inzwischen auch viele Parlamentarier Druck. Sie fordern die Regierung auf zu prüfen, wie klassische Nachtzüge gefördert werden können. Man sehe den Bedarf und überlege, ob der Nachtzugverkehr wieder ausgebaut werden könne, sagte der Leiter internationaler Personenverkehr, Armin Weber, im Fernsehen SRF. Mit Subventionen könnte sich eine Wiederaufnahme für die SBB rechnen, meint Sprecher Raffael Hirt: „Heute decken die Einnahmen aus dem Nachtzug-Geschäft die Kosten nur zur Hälfte.“

Die Österreicher haben vorgemacht, wie es funktioniert: Die ÖBB haben als einzige ihr Nachtzugangebot nicht nur beibehalten, sondern ausgebaut, und bedienen heute die Verbindungen in die Schweiz und nach Deutschland. Hamburg-Wien, Berlin-Zürich – auf diesen Strecken können sich Bahnreisende heute im österreichischen Nightjet ausstrecken. „Wir haben jetzt 18 eigene Linien und insgesamt 26 zusammen mit Partnern“, sagt Rieder.

Die ÖBB seien auch bereit, stärker in das Nachtzuggeschäft zu investieren. 13 neue Züge wurden bei Siemens schon bestellt und werden ab Frühjahr 2022 geliefert. Dreh- und Angelpunkt, damit das Geschäft knapp kostendeckend kalkuliert werden könne: dass die Züge einheitlich in Österreich gewartet werden. Die Strecken müssen dementsprechend konzipiert sein. Verbindungen fernab von Österreich anzubieten, etwa Barcelona-Amsterdam, wäre deshalb schwierig.

Auch die ÖBB stellen in Fahrgastbefragungen mehr Umweltbewusstsein fest. Weil sie zu 100 Prozent mit grünem Bahnstrom fahren, verbrauche der Fahrgast im Nightjet 31 mal weniger klimaschädliches CO2 als beim Fliegen auf der gleichen Strecke, betont Rieder.

  Greta Thunberg fuhr 65 Stunden mit dem Zug, um ihre Stimme für mehr Klimaschutz zu erheben. 

Greta Thunberg fuhr 65 Stunden mit dem Zug, um ihre Stimme für mehr Klimaschutz zu erheben. 

Foto: dpa/Paul Zinken

Aber: „Der Umweltgedanke ist bei vielen noch eher theoretisch da und zeigt sich nicht ganz im Buchungsverhalten.“ Während die teuersten Plätze im Schlafwagen stets schnell ausverkauft seien, merke man im günstigen Segment der Sitzwagen sofort, wenn auf einer Strecke zwischen zwei Metropolen eine Billig-Airline fliegt. „Sofort gehen die Buchungen runter“, sagt Rieder.

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