Reaktorunglück aus dem Jahr 2011 Freispruch für die Fukushima-Manager

Tokio · Es war die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl. Doch auch Jahre nach dem Super-Gau von Fukushima wird in Japan niemand strafrechtlich zur Verantwortung gezogen.

  Das Videostandbild vom 15. März 2011 zeigt eine Explosion im Atomkraftwerk Fukushima in Japan.

Das Videostandbild vom 15. März 2011 zeigt eine Explosion im Atomkraftwerk Fukushima in Japan.

Foto: dpa/Abc Tv

Achteinhalb Jahre nach der Atomkatastrophe von Fukushima sind drei frühere Topmanager des Kraftwerkbetreibers Tepco in einem Strafprozess freigesprochen worden. Das Bezirksgericht in Tokio befand die früheren Manager am Donnerstag für nicht schuldig. Ihnen war vorgeworfen worfen, die Gefahr eines gewaltigen Tsunamis missachtet zu haben und damit Schuld an dem Super-Gau vom März 2011 zu tragen.

„Es wäre unmöglich, eine Atom­anlage zu betreiben, wenn die Betreiber verpflichtet würden, jegliche Möglichkeit eines Tsunamis vorherzusagen und nötige Maßnahmen zu ergreifen“, erklärte Richter Kenichi Nagafuchi. Die Staatsanwälte hatten fünf Jahre Haft für jeden der Manager gefordert. Die Kläger dürften das Urteil anfechten.

Im Kraftwerk Fukushima Daiichi im Nordosten Japans war es am 11. März 2011 in Folge eines gewaltigen Tsunamis zum Super-Gau gekommen. Als Folge der Kernschmelzen in drei Fukushima-Reaktoren mussten rund 160 000 Anwohner fliehen. Zehntausende können noch immer nicht zurück. Es war die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl 1986 gewesen.

Es hatte Bewohner der Unglücksprovinz Fukushima mehr als fünf Jahre gekostet, den damaligen Tepco-Chef Tsunehisa Katsumata (79) sowie zwei weitere Verantwortliche vor ein Strafgericht zu bringen. Die japanische Staatsanwaltschaft hatte sich zweimal geweigert, die Atommanager anzuklagen. Sie waren schließlich 2016 wegen beruflicher Fahrlässigkeit mit Todesfolge angeklagt worden.

Mehr als 5700 Bürger hatten in dem einzigen Strafrechtsprozess wegen der Atomkatastrophe den drei Hauptverantwortlichen vorgeworfen, ungeachtet auch interner Warnungen vor einem hohen Tsunami nichts unternommen zu haben, um die Reaktoren zum Beispiel durch die Errichtung von hohen Tsunami-Mauern zu schützen. So war Tepco bereits 2008 darüber informiert gewesen, dass ein Tsunami von rund 16 Metern Höhe das Atomkraftwerk heimsuchen könne.

Die angeklagten Ex-Manager hatten jedoch auf unschuldig plädiert. Der Tsunami von 2011 sei unvorhersehbar gewesen.

Eine unabhängige Kommission war 2012 zu dem Ergebnis gekommen, dass das Unglück vorhersehbar und vermeidbar war. Es handele sich um ein „Desaster von Menschenhand“. Verantwortlich sei das Beziehungsgeflecht zwischen Staat und Atomlobby. Mehrere Gerichte hatten eine Mitschuld des Staates und des Betreibers Tepco an der Katastrophe in Fukushima festgestellt und Entschädigungszahlungen verfügt. Staat und Tepco hätten sich der Nachlässigkeit schuldig gemacht. 

Das Bezirksgericht befand am Donnerstag nun, dass die drei angeklagten Ex-Manager auch nicht am Tod von 44 älteren Patienten schuld seien. Deren Gesundheit hatte sich während beziehungsweise nach der erzwungenen Evakuierung eines örtlichen Krankenhauses verschlechtert. In einer Stellungnahme entschuldigte sich Tepco erneut dafür, den Menschen gewaltige Sorgen bereitet zu haben.

Mit dem Urteil sind die rechtlichen Auseinandersetzungen für den Betreiberkonzern jedoch nicht beendet. Es laufen vor Gerichten noch mehrere Zivilrechtsklagen, die von Tausenden von Bürgern angestrengt wurden.

Achteinhalb Jahre nach der Katastrophe versucht der japanische Staat derweil alles, um den Eindruck von Normalität zu vermitteln. Der Wiederaufbau in der Katastrophenregion komme voran, die Lage in der Atomruine sei unter Kontrolle, Lebensmittel aus Fukushima sicher. Man erlaubt Bewohnern einstiger Sperrzonen die Rückkehr in ihre Häuser, lockt ausländische Touristen an und wirbt kräftig für die Olympischen Spiele 2020.

Zugleich versucht Japan, weitere Reaktoren im Lande wieder hochzufahren. Bislang sind neun Meiler wieder am Netz. Die große Mehrheit der Reaktoren steht jedoch weiterhin still.

 Ichiro Takekuro, ehemaliger Vizepräsident von Tokyo Electric Power Co.

Ichiro Takekuro, ehemaliger Vizepräsident von Tokyo Electric Power Co.

Foto: dpa/Satoru Yonemaru
 Sakae Muto, ein weiterer ehemaliger Vizepräsident von Tokyo Electric Power Co.

Sakae Muto, ein weiterer ehemaliger Vizepräsident von Tokyo Electric Power Co.

Foto: dpa/Satoru Yonemaru
 Tsunehisa Katsumata, ehemaliger Vorsitzender von Tokyo Electric Power Co.

Tsunehisa Katsumata, ehemaliger Vorsitzender von Tokyo Electric Power Co.

Foto: dpa/Satoru Yonemaru

Zur Zeit des Super-Gaus in Fukushima hatte die drittgrößte Volkswirtschaft noch 54 Reaktoren am Netz.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort