Nach OP fehlt gesunde Gallenblase

Mönchengladbach. Das ist eine Schreckensvision: Da legt sich ein Patient auf den Operationstisch und beim Aufwachen fehlt ihm ein gesundes Organ. Mehrere Patienten des kleinen St. Antonius Krankenhauses im ländlichen Wegberg in Nordrhein-Westfalen erlebten diesen Horror-Trip

Mönchengladbach. Das ist eine Schreckensvision: Da legt sich ein Patient auf den Operationstisch und beim Aufwachen fehlt ihm ein gesundes Organ. Mehrere Patienten des kleinen St. Antonius Krankenhauses im ländlichen Wegberg in Nordrhein-Westfalen erlebten diesen Horror-Trip. Während sie in der Narkose lagen, soll ihnen der damalige Chefarzt die Gallenblase weggeschnitten haben. Die Staatsanwaltschaft Mönchengladbach hat gestern die Anklage gegen den 51-jährigen Chirurgen veröffentlicht, der seit einigen Tagen im Gefängnis sitzt. Dem Mediziner werden 69 Vergehen an 17 Patienten im Alter zwischen 50 und 92 Jahren vorgeworfen. Sieben Patienten überlebten die Tortur nicht. Die Anklage listet 60 einzelne Körperverletzungen auf. Im Fall der Skandal-Klinik ist es der juristische Sammelbegriff für falsche Diagnosen, falsche und unnötige Operationen, fehlende oder falsche Aufklärung von Patienten - kurzum: der strafrechtliche Begriff für den Vertrauensbruch zwischen Arzt und Patienten in sämtlichen Varianten. Während die Kranken gutgläubig auf moderne Medizin vertrauten, ließ ihnen der Mediziner frisch gepressten Zitronensaft in die Wunden träufeln - und das nicht nur vereinzelt, wie Staatsanwalt Lothar Gathen sagte. "Der hat niemandem erzählt, wir machen Desinfektion mit frischem Zitronensaft." Vor rund einem Jahr hatten die Ermittler klein angefangen - nach einem anonymen Hinweis. Sie wälzten Patientenakten, beauftragten Gutachter. Die Dimension sämtlicher Vergehen wurde dann nach und nach deutlich. Der Chirurg galt als Wegbereiter der Schlüsselloch-Chirurgie, die Operationen mit kleinen Schnitten möglich macht. In Fernsehsendungen war er ein bekannter Gast. Trotzdem entschied er sich 2006 für die Arbeit in einer kleinen Klinik auf dem Land. Hinter den Klinikmauern stand er im Zentrum der Macht: Er war Inhaber, Geschäftsführer und ärztlicher Direktor. Das Ärzteteam war überwiegend jung und nach Angaben der Ärztekammer Nordrhein von seinem Chef abhängig. Acht von zwölf Medizinern sind ebenfalls angeklagt. Der Chef selbst durfte zuletzt zwar nicht mehr als Arzt praktizieren, saß aber immer noch auf dem Chefsessel der Geschäftsführung - bis ihn vor wenigen Tagen die Polizei abholte. Seitdem sitzt er in Haft, weil Fluchtgefahr drohe. dpa

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