Nach Mord in den Liebesurlaub?

Hildesheim · Sie soll ihren Ehemann erschossen haben und danach mit ihrem Freund nach Italien gefahren sein: Vor dem Landgericht Hildesheim hat der Indizienprozess gegen eine junge Automechanikerin begonnen.

 In ihrer Jugend litt die wegen Mordes angeklagte Tizia L. unter Depressionen. Foto: Stratenschulte/dpa

In ihrer Jugend litt die wegen Mordes angeklagte Tizia L. unter Depressionen. Foto: Stratenschulte/dpa

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Sie wirkt zerbrechlich, blass und zeigt keine Emotionen: Die 21-jährige Tizia L. sitzt zwischen ihren beiden Verteidigern im Landgericht Hildesheim . Der jungen Frau in der weißen Wollstrickjacke wird vorgeworfen, ihren 63-jährigen Ehemann Willi in einer Julinacht im vergangenen Jahr heimtückisch mit acht Schüssen ermordet zu haben.

Laut Anklage lag der Maurer schlafend auf dem Sofa in seinem zur Wohnung ausgebauten Überseecontainer im Dorf Algermissen, als Tizia L. die Waffe auf ihn richtete. Nach den Schüssen in Brust und Kopf soll sie ihn zugedeckt, die Patronenhülsen aufgesammelt und ihr Handy weggeworfen haben. Am nächsten Morgen sei sie mit ihrem Freund mit dem Auto über Prag und Wien nach Italien gefahren und habe bei Triest auf einem Campingplatz Urlaub gemacht, sagt Staatsanwalt Wolfgang Scholz.

Während der Verlesung der Anklageschrift verzieht die mädchenhaft wirkende Frau mit dem blond gefärbten Pferdeschwanz keine Miene. Der Staatsanwalt spricht davon, dass sie im Umgang mit Waffen geübt sei und zu Jähzorn und Wutausbrüchen neige. Ihre Motive für das Verbrechen seien nicht eindeutig. Sie habe sich in der schon zerrütteten Ehe "wie in einem goldenen Käfig" gefühlt, sagt Scholz. Offensichtlich habe sie befürchtet, Zugriff auf das Vermögen ihres Mannes - darunter zwei Grundstücke - zu verlieren, sollte sie sich trennen. Das Paar war erst seit Oktober 2015 verheiratet, der 63-Jährige hatte seine Braut als Alleinerbin eingesetzt. Das Opfer hatte eine Nebenerwerbsfirma für Abbrucharbeiten und Entrümpelungen.

Tizia L. sitzt seit ihrer Rückkehr aus dem Urlaub am 9. August in Untersuchungshaft. Zu den Vorwürfen schweigt die Automechanikerin, die ständig ihren Arbeitsanzug getragen haben soll. Sie will nicht sagen, wie sie ihren wesentlich älteren Mann kennengelernt hat.

Ausführlich schildert die Angeklagte dagegen ihre Kindheit und Jugend. In der achten Klasse setzte sie durch, mit ihrer jüngeren Schwester zur Tante nach Hannover zu ziehen, weil sie mit dem cholerischen Stiefvater in Augsburg nicht klarkam. Damals litt sie unter Depressionen und ritzte sich mit Rasierklingen. "Ich wollte was spüren", erklärt sie.

In Hannover besuchte sie bis zur elften Klasse ein Gymnasium und begann danach eine Ausbildung zur Mechatronikerin. Ihre Leidenschaft für Autos und Tuning entdeckte sie mit ihrem ersten Freund, einem Waffennarr, der mit ihr auch Schießübungen machte. Alle Waffen hätten sie interessiert, sagt Tizia L. im Gerichtssaal. Nach der Trennung hatte sie kurz eine eigene Wohnung, die aber wegen ihrer Hunde gekündigt worden sei. Danach war sie quasi obdachlos, schlief bei Bekannten oder im Auto.

Die Staatsanwaltschaft geht aktuell davon aus, dass der Freund, mit dem die mutmaßliche Mörderin nach Italien fuhr, gar nicht wusste, dass Tizia L. verheiratet war. Ob der junge Mann ihr Liebhaber war, wie von ihrem Ehemann vor seinem Tod befürchtet, kann sich am nächsten Prozesstag klären. Am Montag ist der Reisebegleiter als Zeuge geladen.

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